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251 - Der Taratzenkönig

251 - Der Taratzenkönig

Titel: 251 - Der Taratzenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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hatte.
    ***
    Londoner Zoo, September 2525
    Irgendwann erwachte Traysi wieder aus ihren Fieberträumen. Dieses Mal fühlte sie sich stärker als zuvor. Auch die Schmerzen hielten sich in erträglichen Grenzen. Allerdings sah sie vor ihren Augen ein undefinierbares Flimmern, obwohl es momentan finster war.
    Und es roch intensiv nach Taratze. Traysi stöhnte. Sie fühlte sich unendlich müde. Als sie sich drehte, erfasste sie ein Schwindel. Sie ließ ihren Kopf wieder auf den Boden zurücksinken.
    Traysi hörte die raue Stimme einer Taratze, ohne sie zu verstehen. Etwas raschelte. Sie spürte, wie sich etwas Warmes, Weiches zwischen ihre Lippen drängte. Instinktiv versuchte sie es mit der Zunge weg zu schieben, doch die Taratze verhinderte es, indem sie den Kopf der jungen Frau festhielt. Sie versuchte etwas in der Menschensprache zu artikulieren, das nach »trinken« klang.
    Warme Flüssigkeit ergoss sich in Traysis Mund. Die Barbarin hustete, würgte, versuchte den Kopf zu drehen und musste die Flüssigkeit schließlich doch schlucken.
    Sie begriff.
    Taratzenmilch!
    Sie wurde von einer Taratzenmutter gefüttert. Ganz sicher auf Honeys Anweisung hin. Damit sie wieder zu Kräften kam. Ab jetzt wehrte sich die Barbarin nicht mehr gegen den Strom der leicht säuerlich schmeckenden Milch. Sie versuchte sogar von sich aus zu trinken. Es gelang ihr tatsächlich, ein paar Schlucke in ihren Bauch zu bringen, doch dann verschluckte sie sich. Der fürchterliche Hustenanfall, der in einem Meer von Schmerzen endete, raubte ihr zum wiederholten Mal die Besinnung.
    Als sie zu sich kam, herrschte Dämmerlicht. Traysi schlug nur kurz die Augen auf und schloss sie dann wieder. Sie lauschte in sich hinein und fühlte sich… zweigeteilt. Die linke Körperhälfte schien gesund zu sein, während die rechte von oben bis unten in Flammen stand.
    Das Flimmern vor den Augen war auch wieder da. Es ließ sie zunächst nur eine Wand aus Millionen weißer, tanzender Punkte erblicken, doch irgendwann fanden sich die flirrenden Punkte zu Strukturen zusammen, bildeten Flächen und Linien. Traysi sah, dass die Taratze vor ihr hockte und sie mit ihren kleinen tückischen Augen beobachtete. Ihre Barthaare zitterten. Weiter tat sie nichts. Sie schien abzuwarten.
    Auch jetzt war die Taratze seltsam unscharf, ebenso wie der Hintergrund. Wieder sah es aus, als existiere alles zwei Mal dicht nebeneinander.
    Plötzlich bewegte sich die linke Taratze des Doppelbildes, während die rechte regungslos hocken blieb. Ein Taratzenarm schnellte vor, direkt auf Traysis Gesicht zu.
    Gefahr!
    Innerhalb von zwei Lidschlägen würde die Taratze sie angreifen! Diese »Gefahrsicht« war allen Lords zueigen: Sie sahen einen Angriff eine halbe Sekunde bevor er erfolgte!
    Traysi riss instinktiv den linken Arm zur Abwehr hoch, wartete auf den Schlag der scharfen Krallen. Aber nichts geschah. Stattdessen sah Traysi, wie sich der ausgestreckte Taratzenarm des linken Bildes wieder auflöste und deckungsgleich mit dem rechten wurde.
    Panik stieg in ihr hoch. Was passierte hier? Nur mühsam konnte die junge Barbarin wieder einen klaren Kopf gewinnen. Sie wartete auf die nächste Aktion.
    Die folgte schon bald: In die linke Taratze kam Bewegung. Sie erhob sich und huschte nach hinten. Und wieder blieb ihr rechtes Abbild regungslos sitzen!
    Traysi hielt gespannt den Atem an. Sie zählte die Sekunden. Eins… zwei.
    Nach zwei Sekunden erhob sich auch die rechte Taratze und tat exakt das, was die linke getan hatte: Sie erhob sich, sprang nach hinten weg und verließ den Raum.
    Die Barbarin wimmerte. Sie wälzte sich auf den Rücken und starrte die doppelte Decke an. Die Schmerzen in ihrer rechten Seite bemerkte sie dieses Mal kaum. Ihre Gedanken gingen im Kreis, ordneten sich nur langsam wieder.
    Es war unglaublich. Ihre Gefahrsicht schien sich durch die Verletzung dramatisch verändert zu haben: Sie sah mit dem linken Auge nicht nur zwei Lidschläge in die Zukunft, wenn ihr direkte Gefahr drohte, sondern für eine vierfach längere Zeitspanne - und auch dann, wenn ihr Gegenüber völlig friedlich blieb!
    Die Gefahrsicht hört nicht auf, dachte Traysi verzweifelt. Ich sehe alles voraus. Wudan, lass es schnell vorüber gehen, ich bitte dich…
    Das linke Bild wurde wieder aktiv. Aus einem Loch in der Decke kam eine Crooch (fingerlange Kakerlake), orientierte sich kurz und krabbelte dann auf ihren kleinen Beinchen über das Holz. Acht Lidschläge später erschien die Crooch auch auf dem

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