251 - Der Taratzenkönig
des Erdtrabanten umfloss die Gestalt seiner ältesten Tochter Twaysi und ließ sie seltsam unwirklich erscheinen. Sechs Jahre war die Kleine jetzt alt und Beetiehs Augen ruhten wohlgefällig auf ihr.
Er mochte Twaysi genauso wie Gwaysi, die fünf Minuten vor ihre Schwester Lisbees Leib verlassen hatte. Und das lag nicht nur daran, dass Beetieh seit der Geburt der zweieiigen Zwillinge vor allem unter den Männern seines Stammes eine Art Heldenstatus genoss. Denn zwei Kinder auf einmal hatte seit undenkbaren Zeiten keiner mehr hingebracht, und so war Beetieh der Inbegriff der Potenz.
Das sahen übrigens auch einige Frauen so und wollten sich daher unbedingt von Beetieh bespringen lassen. Der Spea Wudans hatte bisher alle zufrieden gestellt. Lisbee war das zwar nicht recht, aber was hätte sie dagegen tun können? Sie musste froh sein, dass er auch sie nach wie vor mit seiner Manneskraft beglückte.
Diesen Schild, auf dem er stand, hatte er also seinen beiden Töchtern zu verdanken. Aber es war auch so, dass sie etwas an sich hatten, das andere Kinder nicht besaßen. Etwas, mit dem sie ihn bezirzen konnten. Und es stand jetzt bereits fest, dass sie einmal wunderschöne Wooms werden würden.
»Sollse nich alleine vonne Feua wech«, bellte Beetieh seine Tochter an. »Kannich sage, was ich will, yeah? Was suchse hia?«
Twaysi zog ihren Taratzenmantel enger und lächelte Beetieh aus großen Augen an. »Will nach dia schaue, Däd. Will nich, dass dia was passiat. Hab dich lieb, yeah.«
Beetieh war schon wieder halbwegs besänftigt, grinste und strich seiner Tochter über das blonde, schulterlange Haar. »Bisse liebes Tschaild, aba mia passiat schonnix. Komm, gehma esse. Isse stinkekalt hia.« Er warf einen letzten Blick auf das zugefrorene, wie Diamanten glitzernde Band des Avon und die wie eine schwarze Wand wirkenden Ruinen dahinter, legte Twaysi die Hand auf die Schulter und schob sie neben sich her. Dabei genoss er es, dass sie sich mit ihrer zarten Hand an seinem Mantel festhielt.
Sie gingen durch die zum Teil eingefallenen Gänge und Hallen, die voll mit seltsamen Maschiins standen, deren Sinn die Lords bis heute nicht begriffen. Einige sahen wie eiserne Vögel aus, noch viel größer und mächtiger als Eluus, andere besaßen Eisenräder und Kamiins , genau wie die Schiffe, die gesunken auf dem Grund des Flusses lagen und deren Decksaufbauten aus dem Wasser ragten. Überall brannten Fackeln. Als sie eine große Halle betraten, schlug ihnen Lärm entgegen.
Die Halle, die so hoch war, dass Beetieh viermal aufeinander gestellt hineingepasst hätte, also rund acht Meter, diente den Lords als Ess- und Gemeinschaftsraum. Darüber hinaus besaß jede Familie eigene Räume in dem riesigen Gebäude, das einst das Industriemuseum gewesen war. Momentan hatten sich, bis auf die Wachen, fast alle Stammesmitglieder zum Essenfassen versammelt.
Im offenen Kessel der mächtigen Dampfmaschine, die das ungefähre Zentrum der Halle bildete, brannte ein Feuer. Den Rauch leiteten die Lords durch ein langes Eisenrohr, das sie auf ihren Kamiin gesetzt hatten, durch die Decke nach draußen. Auf dem mächtigen Eisenspieß, der in der Öffnung des Dampfkessels verschwand, hingen zwei abgezogene Taratzen. Die galten den Lords als absolute Delikatesse. Und seit Tschootsch unermüdlich auf Jagd war, bekam Beetiehs Stamm ziemlich häufig Taratzenfleisch zu essen.
Tschootsch stand höchstpersönlich am Spieß und drehte den Braten. Wie immer, auch im Winter, trug der junge Mann ein armfreies Hemd, das seine mächtigen Armmuskeln bestens zur Geltung brachte. Tschootschs ganzer Körper strotzte vor Muskeln. Trotzdem bewahrte er sich durch ständiges Training eine Geschmeidigkeit, die an die von Gerulen erinnerte. Dieses Gesamtpaket, in das auch eine Besessenheit gehörte, die Beetieh manchmal Angst machte, ließ ihn zum weitaus besten Jäger des Stamms, ja sogar aller Bristol-Stämme werden. Vier kleine Jungs und zwei Mädchen, darunter Gwaysi, saßen um Tschootsch herum und ließen sich von ihm erzählen, wie er die beiden Taratzen erlegt hatte.
»Wa einfach«, sagte Tschootsch gerade auf seine unnachahmliche Art und kratzte sich dabei im Schritt. »Hab de Viechä übalistet, indem ich mich inne enge Gasse gelegt un gebrüllt hab wien abgestochana Wakuda. De Tawatze ham geglaubt, ich wäa vealetzt unnen leichtes Opfa. Wa ich abba nich. Habse alle abgestoche, die Mistviechä, eins nachem andeän.«
Die Kinder klatschten begeistert, was
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