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251 - Der Taratzenkönig

251 - Der Taratzenkönig

Titel: 251 - Der Taratzenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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Klinge in das dichte Fell zu rammen, falls er sie angriff.
    »Genug fürr heute, Trrayssi«, knurrte der Taratzenkönig. »Geh vorrauss inss Nesst und schlaf, damit du morrgen wiederr sschön bist.«
    Die Barbarin atmete auf. Ihr Einfluss war immer schwächer geworden; lange hätte sie ihn nicht mehr aufrechterhalten können. Wudan, bitte hilf, dass die doppelte Sicht bald endet. Sonst bin ich verloren…
    Sie trottete vor dem Taratzenkönig her. Nackt, denn das weiße Stück Gaze hatte ihr Hrrney gleich zu Anfang vom Leib gefetzt. An Flucht war in ihrem Zustand nicht zu denken.
    ***
    Headquarter der Demokraten, September 2525
    Rulfan befand sich in einem Zimmer im zweiten Stock. Durch die vergitterten Fenster blickte er in einen grauen Regentag hinaus. Die melancholische Stimmung schlug ihm aufs Gemüt, und seine Gedanken drehten sich hauptsächlich um Lay. Er hatte sie geliebt wie noch niemals eine Frau zuvor, und sie hatte sein Kind in sich getragen. Nun waren beide tot, von Daa'tan ermordet.
    Für ihn aber ging das Leben weiter. Eine Zeitlang hatte er keinen rechten Sinn mehr darin gesehen. Aber der ungeheure Zorn auf die Techno-Bande, die sich hochtrabend »Demokraten« nannte, hatte dazu beigetragen, dass er sich den Herausforderungen des Lebens wieder stellte.
    Wo befand er sich hier? Bisher hatte es Rulfan noch nicht herausgefunden. Dass sein Gefängnis irgendwo im Londoner Stadtgebiet lag, sah er als sicher an. In der Ferne ragten die Ruinen von Hochhäusern auf. Das weite freie Gelände, das er von hier überblickte, war sicher einmal ein Flugplatz gewesen oder eine Kaserne oder beides. Die lang gestreckten Häuser aus roten Ziegeln, der Flugsicherungsturm, die hohen Drahtgitterzäune, die das Gelände einfriedeten, das alles deutete darauf hin.
    Es klopfte. Rulfan drehte sich um, blieb jedoch stumm.
    Nach einer kurzen Pause ging die Tür auf, Lady Warrington trat ins Zimmer. »Guten Tag, Rulfan«, sagte sie im Teestunden-Plauderton. Die Laserpistole in ihrer Hand ließ aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass es kein Teeplausch werden würde.
    Rulfan verzog das Gesicht. »Ah, mein Kerkermeister kommt mich besuchen. Es ist mir eine Ehre, Mrs. Warrington.« Mit voller Absicht redete er sie nicht mit »Lady« an. Er wusste genau um ihren Tick.
    »Lassen Sie stecken, Rulfan. Ihr Hohn prallt an mir ab. Setzen Sie sich bitte. Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten.« Der Lauf der Pistole hob sich ein wenig und unterstrich, dass die Bitte nichts anderes als ein Befehl war.
    Rulfan setzte sich also in einen der Sessel. Er streckte den Arm aus. »Darf ich Ihnen den anderen anbieten, Mrs. Warrington?«
    Sie setzte sich. Mit ihrem weißen Kleid und ihrer weißen Perücke hatte sie in besseren Zeiten imposant ausgesehen, durchaus. Nun aber wirkte die alte Frau auf Rulfan eher wie ein Gespenst oder, noch schlimmer, eine Karikatur. Zumal Josephine Warrington versuchte, die Falten in ihrem Gesicht mit weißem Puder und Schminke zu kaschieren.
    Sie räusperte sich. »Nun, Rulfan, ich kann mir vorstellen, dass Sie mit unserem Vorgehen… nun, nicht ganz einverstanden sind. Aber glauben Sie mir, uns bleibt leider keine andere Wahl.«
    Rulfan stieß ein kurzes, hartes Lachen aus. »Nicht ganz einverstanden? Sie sind wirklich gut, Mrs. Warrington. Soll ich Ihnen mal sagen, was ich denke? Ich denke, dass es an Niedertracht nicht mehr zu überbieten ist, was Sie hier veranstalten. Ich habe Ihnen nichts getan, ich bin einer der Ihren. Trotzdem nehmen Sie mich gefangen, um meinen Vater zu erpressen. Es ist einfach abscheulich, zivilisierter Menschen nicht würdig. So ein Vorgehen würde ich eher bei den Lords vermuten.«
    Zu Rulfans Überraschung nickte Warrington. »Sie haben völlig recht, Rulfan. Ich bin auch nicht glücklich darüber. Aber in diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel. Ich sehe es als Gottes Fügung, dass Sie in unsere Hände gefallen sind. So können wir Sir Leonard vielleicht doch noch seiner gerechten Strafe zuführen.«
    Rulfan schüttelte langsam den Kopf. »Tut mir leid, aber ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass mein Vater die mordende Bestie ist, als die Sie ihn darstellen. Ich bin sicher, dass es sich um ein Missverständnis handelt.«
    »Missverständnis? Hm. Ich erzähle Ihnen mal etwas, Rulfan. Ihr Vater hat James Dubliner jr. ohne mit der Wimper zu zucken zum Tode verurteilt und standrechtlich erschießen lassen. Und wissen Sie, warum? Weil sich James seiner fixen Idee nicht anschließen

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