251 - Der Taratzenkönig
nach wie vor schier unerschöpflichen Nachschub anbrachte, zum anderen, weil die Baasche bevorzugt auf Taratzenleber gingen. Zwei mittelgroße Fische lagen, bereits neben Beetieh - in Köpfe und Körper geteilt. In einem steckte noch das scharfe Fischmesser.
Beetieh grinste seine Tochter an. »Setz dich, Twaysi. Is mal wieda langweilig was? Wülste mit mia angeln? Oda hasse wieda was Neues gehöat?«
Traysi setzte sich. Mürrisch planschte sie mit den Füßen im Wasser herum. Dann fiel ihr ein, wie sie sich für die eben erlittene Zurückweisung rächen konnte. »Ja, hab was gehört, Däd. Die anderen ham Angst vor Gwaysi un mir. Woll'n uns umbringen!«
Beetiehs Grinsen verstärkte sich. »Is doch nix Neues, Twaysi. Wissma doch, dass alle 'ne Scheißangst voa euch ham. Reden viel, aber se tun nix, da musste dia keine Soagen machen.«
Traysi sah ihre Felle davon schwimmen. Sie brauchte jetzt unbedingt Lob von ihrem Vater. Schon wollte sie ansetzten, von einer geheimen Verschwörung zu berichten, doch in diesem Moment erschien ihre Schwester am Angelplatz. Gwaysi, genauso hübsch und ebenfalls mit Schmuck behangen, aber dunkelhaarig in Gegensatz zu der blonden Traysi, verzog das Gesicht. »Lügste wieda de Däd an, Twaysi? Nua um ihm bessewe Sachen zu eazählen als ich.«
Twaysi fuhr hoch. Kampfbereit stand sie ihrer Schwester gegenüber. Ihre Augen funkelten gefährlich. » Du lügst, nicht ich. Ich sag immer die Wahrheit, du falsche Taratze!«
Beetieh stand auf. »Genug jetz!«, fuhr er seine Töchter an. »Seid wie de Seebezahns, imma anfauchen. Dabei isses ganz unnötig. Mag euch beide gleich gean.« Er nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
»Muss dia was sage, Däd«, meinte Gwaysi dann. »Hab de Melffin getwoffen, vonne Bwomid-Loads(Bromid = Broadmead, das ehemalige Haupteinkaufsgebiet im Herzen Bristols).«
»De Sohn vonne Gwanload Spaiks.«
»Genau dea. De Bwomid-Loads wollen uns bald übafallen, das hatter gedacht.«
Beetieh kniff ein Auge zu. »Aja? Un wawum wollnse das tun?«
Gwaysi sah ihre Schwester triumphierend an. »Gwanload Spaiks will von dia wisse, wo de ganze pwächtige Sache heakommen, Kleida un Schmuck un so.«
Beetieh strich sich nachdenklich über seinen verfilzten Bart. »Veadammich, das könnte wah sein, yeah. Spaiks wa imma schon neidisch auf meine Kleidas. Sea gut gemacht, Gwaysi. Ich geh mit dia gleich moagen zu de Cabbets , dann kannste dia was aussuchen.«
Gwaysi freute sich wie ein kleines Kind, während Traysi tiefste Enttäuschung empfand. Wer Beetieh eine wichtige Information lieferte, den nahm er mit zu Cabbets , der ehemaligen Einkaufsmeile Cabot Circus im Herzen der Stadt. Im Laufe der Jahrhunderte war das gut erhaltene Kaufhaus längst ausgeräumt worden, aber Beetieh hatte einen Zugang in einen Bereich des Kellers entdeckt, wo noch original verpackte Waren in großen Mengen lagerten, vor allem Schmuck und Kleider. Hier bediente er sich selbst oder belohnte ihm treu Ergebene, so wie eben auch Twaysi und Gwaysi.
Dass die letzten fünf Male Traysi dabei gewesen war, war für sie momentan kein Trost. Sie wollte die Lieblingstochter ihres Vaters sein, von ihm gelobt und verhätschelt werden. Gwaysi störte da nur. Sie wollte ihren Däd mit niemandem teilen.
Und dass Gwaysi im Gegensatz zu ihr jemanden gefunden hatte, der mit ihr zusammen sein wollte, machte die Sache auch nicht besser. Traysi konnte ihre rasende Eifersucht und ihre Wut manchmal kaum verbergen. Melffin war ein mittelgroßer, leidlich gut aussehender junger Mann, der sich von der Angst, die alle vor den »Lord-Hexen« hatten, nicht anstecken ließ. Er hatte die Nähe der schönen Gwaysi gesucht und war mit offenen Armen aufgenommen worden.
Das Angebot, den Schwertkampf mit Traysi zu üben, hielt Beetieh aufrecht, doch seine Tochter war nicht bei der Sache und kassierte einige schmerzhafte Schläge.
Am nächsten Morgen brach er mit Gwaysi zu Cabbets auf. Er würde ihr irgendwann die Augen verbinden, sie ein paar Minuten über Schuttberge und durch irgendwelche Gänge führen und die Binde erst wieder im Keller abnehmen. Denn den Zugang zu den Schätzen wollte er niemandem preisgeben, auch seinen Töchtern nicht. Die Beiden würden erst am Abend wieder zurückkommen.
Traysi beschloss, aus der Situation das Beste zu machen und ihrer Schwester währenddessen Melffin auszuspannen - wenn sie schon Rod nicht haben konnte. So machte sie sich nach Bwomid auf, was ungefähr eine Stunde Fußmarsch durch
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