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2578 - Das mahnende Schauspiel

2578 - Das mahnende Schauspiel

Titel: 2578 - Das mahnende Schauspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc A. Herren
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nur die Reaktion seines Geistes,

der ihn vor allzu grüblerischen und selbstzerstörerischen Gedankengängen schützen wollte?
    Verstohlen blickte er Vetri von der Seite an. Ein stummes Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie

musste bemerkt haben, dass er seinen Kopf zu ihr umgedreht hatte.
    In der Zeit, nachdem er das erste Cappinfragment verloren hatte, war sein Gesicht derart weiß

und wächsern gewesen, dass man ihn fortan hinter vorgehaltener Hand - manchmal sogar offen heraus

- den Totenbleichen genannt hatte.
    Saedelaere dachte an Siela Correl, mit der ihn eine kurze intensive Liebesgeschichte verbunden

hatte. Weshalb hatte er sich nie mehr um sie gekümmert?
    Im Jahr 1212 NGZ waren er und Reginald Bull nach Fornax gereist, um dort Berichten über das

anormale Verhalten der jungen Nocturnenstämme nachzugehen. Damals hatte er sie zum letzten Mal

gesehen. Vor einem Vierteljahrtausend. Das überstieg die Lebenserwartung eines durchschnittlichen

Terraners.
    Da Siela allerdings die Tochter von Vanity Fair und Bully sein sollte, konnte es sein, dass

ihre Lebenserwartung deutlich höher lag.
    Saedelaere seufzte lautlos.
    Das Cappinfragment hatte ihm einen Weg aufgezeigt, der phantastischer war, als ein

menschlicher Geist ihn hätte ausdenken können. Er hatte viele Wunder des Kosmos gesehen, die

Schattenseiten der Ordnung und des Chaos. Er hatte die Einsamkeit kennengelernt.
    Und Kytoma.
    Ohne Fragment hätte er Kytoma, die Querionin, nie kennengelernt. Allein deswegen würde er sich

- falls er plötzlich aus irgendeinem verwinkelten Grund in seinen Körper des Jahres 3428

geschleudert würde, Sekunden vor dem schicksalhaften Transfer von Bontong nach Peruwall - wieder

für ein Leben mit dem Fragment entscheiden.
    Als Transmittergeschädigter.
    Als Maskenträger.
    Als kosmischer Mensch.
    Was hatte Samburi Yura gesagt, als sie ihm das neue Fragment verpasst hatte?
    »Ich habe dir lediglich zurückgegeben, was zu dir gehört. Denn die Maske, unter

der du dein Gesicht verbirgst, ist deine wahre Identität.«
    Er musste Samburi Yura unbedingt finden. Nur sie konnte ihm helfen, seine Bestimmung, sein

wahres Ich zu finden.
    Und dann würde es sich weisen, ob die Kosmokratenbeauftragte und der Maskenträger füreinander

bestimmt waren oder ob es nur ein Hirngespinst eines einsamen Menschen war, der sich nach einer

kosmischen Bestimmung sehnte.
    Er stutzte.
    Damals, vor dem Unfall ...
    »Liv Andaman«, flüsterte er entsetzt.
    »Was sagst du, Alaska?«, fragte Vetri sofort.
    Er schüttelte schwach den Kopf. »Nichts ...«, murmelte er.
    Wie hatte er Liv Andaman vergessen können? Seine Lebensgefährtin, bevor all das geschehen war.

Und eines seiner ersten Opfer. Nach ihrer letzten Nacht hatte sie tot neben ihm gelegen.
    Er würde alles nochmals durchmachen? Die Opfer ... gewollte und ungewollte ... so viele Leben,

das er wegen des verfluchten Fragments genommen hatte. So viele Stunden der Einsamkeit, des

Zermarterns. Des Schmerzes. Des Hasses. Erfolglose Versuche, das Ding aus seinem Gesicht zu

schneiden. Hoffnungen und Enttäuschungen.
    Alles noch mal von vorn?
    Nie und nimmer.
    Alaska blickte auf sein linkes Knie, auf dem nach wie vor Vetris schlanke Hand ruhte, als wäre

es eine Selbstverständlichkeit.
    Er schloss die Augen. Für ein paar wenige Sekunden wollte er weg von den Gedanken, die ihn

wieder einmal malträtierten.
    Der Maskenträger spürte die enorme Anziehungskraft der Frau, wusste, dass er normalerweise nicht so stark auf Frauen - nicht einmal außergewöhnlich schöne Frauen -

reagierte.
    Dennoch zerrte diese Kraft an ihm.
    Er konnte sie nicht verleugnen.
    Er genoss sie.
    *
    Vetri stoppte den Gleiter vor dem Turm des Spiels.
    Zwei Stunden lang hatte sie ihn durch die Randbezirke der Stadt chauffiert. Auf Saedelaeres

Wunsch hatten sie mehrere leer stehende Personalwohnhäuser und Fabrikhallen unter die Lupe

genommen.
    Die containerartigen Gebäude erweckten den Anschein, als wären sie seit Jahrzehnten,

vielleicht Jahrhunderten unbenutzt. Die gefundenen Leitungen und Technikmodule erwiesen sich nach

kurzer Prüfung durch den SERUN als betriebsbereit, aber über den ursprünglichen Verwendungszweck

des jeweiligen Ganzen konnte die Anzugpositronik nur Mutmaßungen anstellen.
    Wie er nicht anders erwartet hatte, vermochten weder Vetri noch die diversen Anfragen beim

Hauptrechner der Stadt irgendwelches Licht in die Angelegenheit bringen.
    Irgendwann hatte

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