2581 - Wunder in Gefahr
mehr als einmal von dem
Klingenfalter erzählt, den sie im zoologisch-botanischen Garten von Kartum gesehen hatte. Die
haarsträubende Verwandlung, derer sie Zeugin gewesen war, hatte sie tief beeindruckt. Und nicht
nur, weil ihre und Tiffs gemeinsame Geschichte damit ihren Anfang genommen hatte.
»Wir begegnen einer der erstaunlichsten Lebensformen, die unsere Galaxis hervorgebracht hat«,
wiederholte Zhanauta sinngemäß die Worte der damaligen Führerin. »Der sogenannte Klingenfalter
vergiftet nämlich nicht seine Feinde, sondern sich selbst. Wir wissen nicht, warum.«
Das Terrarium war sehr groß, ein hell ausgeleuchteter Kubus voller berückend hübscher
Schmetterlinge. Vor der Schönheit der Zeichnungen auf den Flügeln wäre Zhanauta, eine mit allen
Wassern gewaschene Assassinin, beinahe in die Knie gesunken.
»Sie alle gehören derselben Art an. Aber einer davon«, sagte die Führerin, gelangweilt am Ende
eines langen Tages, Monats, Jahres, da in diesem Saal nie etwas passiert war, das ihr Pathos
rechtfertigte, »könnte ein Klingenfalter sein.«
Der Schemen landete auf Tiff. Die Wucht des Aufpralls drückte ihn in die Synthleder-Polsterung
der Couch. Unter seinem Gürtel zerbröselte der verdorrte Rosenstängel.
Schläge trafen Tiff, hart genug, dass er sie trotz der Dämpfung des SERUN- Gewebes spürte.
Sein Strahler war ihm entglitten.
Der Arm, mit dem er danach tastete, wurde ihm auf den Rücken gebogen. Ein trivialer Griff, den
jede humanoide Zivilisation des Kosmos, unabhängig von allen anderen, erlernt hatte.
Augenblicklicher, überwältigender Schmerz, gepaart mit dem Gefühl vollkommener Demütigung,
verfehlte seine Wirkung nicht.
*
»Seit Jahrtausenden beobachten wir diese Spezies«, referierte die Führerin.
»Oft geschieht über eine lange Zeitspanne hinweg nichts. Dann kommt es unvermittelt zu einer
sprunghaften Mutation. Dutzende Sensoren sind auf die Bewohner dieses Käfigs gerichtet. Was wir
ergründen wollen, ist: Wieso, aus welchem Anlass, aufgrund welches Signals verwandelt sich einer
davon in eine Mordbestie?«
Tiff vermochte nicht zu erkennen, wer oder was ihn angefallen hatte. Derzeit wurde sein Kopf
sowieso, mitsamt dem Klarsichthelm, in die staubigen Polster gepresst.
Aber auch zuvor, in dem kurzen Augenblick, als er der Attacke gewahr wurde, hatte er so gut
wie nichts Signifikantes unterscheiden können. Das Monstrum, das ihn aus der Kuppel der Lobby
überfallen hatte, hätte genauso gut ein Drache aus der terranischen Mythologie sein können wie
eine krude, völlig fremdartige Fetzenpuppe.
Zhana war ähnlich perplex gewesen, als einer der Schmetterlinge plötzlich aus dem anmutigen
Tanz ausgebrochen war, den er zusammen mit seinen Artgenossen vollführt hatte. Blitze hatten
seine grazile Körperform umzuckt, Lichtreflexionen auf den hauchdünnen Klingen, zu denen sich
seine Flügel schlagartig umgebildet hatten.
Brutale Hiebe trafen Tiffs Hals und Nacken, genau zwischen Kragenring und Helmansatz. Die
Polymergel-Fasern seines SERUNS verminderten die Wucht der Schläge, allerdings nur um einen
geringen Faktor.
Der Angreifer, erkannte Tiff, wollte ihm das Genick brechen. Wenn nicht mit diesem Hieb, dann
mit dem nächsten oder übernächsten.
Der pervertierte Falter, ein Spinner im doppelten Wortsinn, hatte alle seine Artgenossen
getötet, indem die aberwitzig rotierenden Klingen zerhäckselten, was in Reichweite kam.
Es hatte keine Minute gedauert, dann waren die Scheiben des Terrariums mit buntem Blut
bekleckert gewesen und nichts mehr hatte ringsum gelebt außer dem hin und her flirrenden,
ungestört wütenden Klingenfalter.
Zhana hatte sich bei diesem Anblick übergeben müssen.
Julian Tifflor wurde schwarz vor Augen.
*
Während der Aggressor wieder und wieder auf die verwundbare Stelle an seinem Hals eindrosch,
erschien Tiff das Antlitz von Nia Selegris so wächsern, als bestünde es nur aus eingetrockneter
Schminke.
Auch sie hatte er geliebt. Sehr - und sehr lange.
»Bist du lebensmüde?«, hauchte sie. »Wozu haben wir gemeinsam alle zehn Stufen der Upanishad
durchlaufen, wenn du jetzt so erbärmlich klein beigibst, bloß weil du nicht mit einem derart
vehementen Angriff gerechnet hast?«
Du kennst mich, Nia, wollte er antworten. Niemand hat mich je so gut gekannt wie du.
Jeder Tag meines Lebens ist karg und einsam ohne deine Anwesenheit. Also, warum quälst du
mich?
»Weil du dich
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