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2586 - Die Sektorknospe

2586 - Die Sektorknospe

Titel: 2586 - Die Sektorknospe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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eigene Uhr aus Holz zurück, band sie an die Kordel und steckte sie zurück in die Westentasche.
    »Wird schon werden, Jungchen«, tröstete der Alte mich. »Vielleicht wirst du dich eine Tages daran erinnern, dass du deine Uhr gegen eine russische hättest tauschen können.« Er zwinkerte mir zu. Ich winkte ab und haute mich hin, den Kopf auf dem Sattel. Russisch? Sowjetisch? Was denn nun? Der Alte sprach in Rätseln.
    In El Paso teilten wir uns auf. Tib und Selly blieben zusammen, Boone und Cassius auch. Ich sagte dem Alten, dass ich noch etwas erleben wollte, und zwar mit einer Lady. Er nickte und schaute interessiert.
    Ich fand es witzig, dass er mit mir ging, obwohl ich ihm nicht mehr zutraute, viel Spaß mit Ladys zu haben, selbst wenn er dafür zahlte. Er lachte lauthals. Ich sah seine Zähne - erstaunlich gut erhalten. Wahrscheinlich putzte er sie sich mit einer dieser Miniaturbürsten, statt sich den Mund ordentlich mit Wasser und Whiskey auszuspülen.
    Die Nacht mit Philine, der Morgen, meine Schreibübung. Der Alte war nicht mehr da, hatte unten nur einen Zettel mit einer Nachricht hinterlassen. Sehr ärgerlich.
    Ich zahlte der alten Scheuche einen Dime, damit sie ihn mir vorlas: »Bin vorgegangen, Jungchen, warte dann auf dich. Wir sehen uns auf jeden Fall.«
    Wann und wo? Kein Wort dazu.
    Was war denn das für eine blödsinnige Verabredung?! Ich faltete den Zettel, steckte ihn in die Westentasche und spürte, dass sich dort irgendwas tat. Etwas streichelte meine Haut. Ein plötzliches Aufglühen. Ich fasste nach dem Zettel - er war nicht mehr da.
    Barnum and Baileys Größte Schau auf Erden, dachte ich. Ein Trickser. Ein Taschenspieler. Vielleicht hätte er doch ganz gut in unser Team gepasst.
    Ich trat auf die Straße. Ich erinnere mich, dass mir alles an diesem Tag in einem merkwürdig klaren Licht erschien: auf der einen Seite Isham Brothers, der Eisenwarenladen, die Condon Bank, das Schuhgeschäft von Brown & Cubine; auf der anderen der Saloon, eingerahmt vom Postoffice auf der linken und Slausson's Drugstore auf der rechten Seite.
    Natürlich hielt ich nach Steckbriefen Ausschau, die auf einen von uns - oder die ganze Bande - ausgestellt waren. Aber unser Ruhm war, wie es schien, bislang nicht bis nach El Paso gedrungen. Mittags aßen wir im Wan Chang's, dem kleinen Chinarestaurant; ich an dem einen Tisch, Tib und Selly an einem anderen.
    Ich sah Selly unglaubliche Mengen Reis in sich reinschaufeln, Ente und Gemüse. Aber er trank keinen Tropfen Alkohol. Bei einem Job wollte er - wie wir alle - einen klaren Kopf behalten.
    Boone und Cassius waren zu aufgeregt, um viel zu essen. Sie gaben die Teller fast unberührt zurück.
    Es war am späten Nachmittag. Die Sonne stand schon tief und spiegelte sich in den Schaukästen von Slausson's Drugstore. Boone und Cassius waren seit über zwei Stunden im Saloon; die Condon Bank hatte noch knapp eine halbe Stunde geöffnet.
    Ich sah, wie Tib und Selly gemächlich die Straße entlangschlenderten. Sie legten dann und wann die Finger grüßend an die Hutkrempe, als hätten sie irgendeinen Bekannten im Visier.
    Über dem Eingang zum Saloon hing ein Schild, auf dem ein grinsender Tiger zu sehen war, das Zeichen, dass hier - wie überall im Westen - Faro gespielt wurde.
    Ein ziemlich zahnloser Alter grinste mich an. »Na, Jungchen, auch ein bisschen den Tiger füttern gehen?« Er hielt mir dezent seine offene, schwielige Hand hin.
    Ich ließ einen Dime hineinfallen, und er mümmelte irgendeinen Dank.
    Ich sah noch aus den Augenwinkeln, wie Tib und Selly ihre Pferde erreichten, die sie eine Weile vorher an den Haltebalken festgebunden hatten; wie sie die Winchester aus den Sattelschuhen zogen. Dann schob ich die Schwungtüren auseinander und trat in den Saloon.
    Qualm, Gelächter, irgendwie europäisch anmutendes Geklimper vom Piano. An einem Tisch neben dem Tresen pokerten ein paar Indianer, Coushatta, Kickapoo oder Waco. Wie immer spielten sie nicht um Geld, sondern hatten ihre Einsätze auf ein Büffelfell neben dem Tisch gelegt: Leggings, Reitpeitschen, roten Kattun.
    An den anderen Tischen wurde Faro gespielt. Ich ging zum Tresen, bestellte, drehte mich zum Saal um, die Ellenbogen auf den Tresen gestützt. Das hatte den angenehmen Nebeneffekt, dass die Hände knapp über den beiden Colts schwebten. Das Glas kam. Ich nippte nur; ich musste ja auch einen klaren Kopf behalten.
    Ich nahm den Tisch ins Visier, an dem Boone und Cassius saßen. Das schwarze Gesicht von

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