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2586 - Die Sektorknospe

2586 - Die Sektorknospe

Titel: 2586 - Die Sektorknospe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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Eisenwarenladen, an ein Schuhgeschäft wie das von Brown & Cubine und an Slausson's Drugstore, der konnte in der Maschinenstadt schnell verrückt werden.
    Es gab nichts von alledem.
    Nur eine Kammer für mich, die weiße Kammer.
    Mehr ist darüber eigentlich auch nicht zu sagen. Ein weißer Raum, die vier Wände weiß, der Boden und die Decke weiß.
    Ich suchte die Latrine. Die hiesige Halle der inneren Harmonie.
    Es gab keine.
    Aber, Überraschung, ich musste auch nicht. Nie. Niemals. Und ich hatte keinen Hunger und keinen Durst.
    Es war ganz okay. Ein Feinschmecker wie Selly hätte vielleicht etwas vermisst. Ich vermisste nichts.
    Ich saß da in der weißen Kammer und schaute auf die weiße Wand. Sagte ich, dass kein Fenster in der Wand war?
    Es war kein Fenster in der Wand.
    Ein Stuhl, auf dem ich saß. Ein Bett, auf dem ich lag.
    Manchmal zog ich meine Uhr und starrte darauf. Sie zeigte wie immer 11.56 Uhr. Es gab Tage - oder Wochen -, da hatte ich das Gefühl, dass sie damit recht hatte.
    Manchmal schaute Steambody vorbei. Vielleicht wohnte er in der Maschinenstadt. Vielleicht wohnten hier viele wie er, Hunderte. Denn manchmal war so ein entferntes Rumoren wie von tief unten in der Stadt. Vielleicht arbeiteten die Steambodys hier in ihren Fabriken.
    Was sie dort machten? Neue Steambodys, wahrscheinlich. Ich fragte nie danach. Wahrscheinlich wollte ich es gar nicht wissen.
    Ich würde gerne sagen, dass wir uns anfreundeten, aber alles in allem war Steambody eine Maschine, eine Art Lokomotive. Und mit einer Lokomotive freundet man sich nicht an.
    Sagen wir also: Wir gewöhnten uns aneinander.
    Bei seinen ersten Besuchen fragte ich ihn, wie viel Zeit verstrichen wäre. Es waren mal einige Wochen, mal einige Jahre. Irgendwann fragte ich nicht mehr. Es war wie in einem dieser Träume, in denen man träumt, dass man soeben aufgewacht sei.
    Dann merkte ich manchmal, dass ich mit Boone und Cassius plauderte, mit Grandma, mit Stormy oder mit Philine, meiner letzten Lady. Und manchmal und auf eine verschrobene Weise war derjenige, mit dem ich plauderte, Boone und Grandma, Stormy und Philine in einer Person.
    Klingt verrückt, aber man gewöhnte sich auch daran.
    »Wann kommt denn nun dieser komische Freund des Alten, den ich auf die Probe stellen soll?«, fragte ich Steambody bei einem seiner Besuche.
    »Vielleicht nie«, sagte der Eisenmann.
    »Und wenn er nicht kommt - was wird dann aus mir?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Steambody. »Aber die Kollektivintelligenz wird auch für diese Eventualität einen Plan haben.«
    »Die was?«
    »Der Alte«, übersetzte Steambody.
    Es kamen Tage, da öffnete ich die Uhr. Ich überlegte, ob ich versuchen sollte, sie zu reparieren, hatte aber keine Ahnung, wie.
    Eines Tages - ich weiß nicht, nach wie vielen Jahren - war der Alte bei mir in der weißen Kammer. »Hallo, mein Junge!«, sagte er. »Unser Freund ist angekommen.«
    »Dein Freund«, verbesserte ich ihn.
    »Er ist schneller gewesen, als ich erwartet habe. Wir haben heute erst den 29. Januar 1976 deiner Zeitrechnung.«
    »Jeez - ich bin fast hundert Jahre hier?«
    »Ja. Bist du bereit?«
    Hundert Jahre.
    »Klar«, sagte ich. »Was soll ich tun?«
    »Ihn erschießen«, sagte der Alte. Und lächelte sein Zahnbürstenlächeln.
    »Muss ja eine sehr tiefe Freundschaft sein, das Ding zwischen euch beiden«, sagte ich. »Wollen wir hoffen, dass er sich erschießen lässt. Oder ist vorgesehen, dass er sich wehrt?«
    »Er wird sich nicht nur wehren«, sagte der Alte. »Er wird dich wahrscheinlich sogar angreifen. Aber, keine Sorge, er kann dich nur in deiner Zeit töten.«
    Er hielt mir einen schmalen, fugenlosen Gegenstand aus Metall hin. Ich nahm ihn an. »Was ist das?«
    »Eine Art Schlüssel. Mein Freund braucht diesen Schlüssel, um durch das rote Tor zu gelangen. Er hat, das solltest du ihm sagen, dafür nicht mehr als eine halbe Stunde Zeit.«
    Ich zog meine Uhr und öffnete den Deckel, hob theatralisch die Augenbrauen und sagte: »Ich nehme dann mal die Zeit. Uhrenvergleich?«
    Wir lachten beide.
    »Durch das rote Tor muss er also?«, fragte ich. Das klang vielversprechend, irgendwie ladylike. »Weiß er, dass er muss? Oder will er auch?«
    »Er wird wollen.«
    »Warum? Was gibt es dort für ihn? Einen Barbier mit Maniküre?«
    »Nein«, sagte der Alte. »Unsterblichkeit.«
    »Immerhin«, sagte ich. »Wie heißt dein Freund übrigens?«
    »Perry Rhodan«, sagte der Alte.
    *
    Um es kurz zu machen: Es war kein fairer Kampf.

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