2593 - Das Paralox-Arsenal
konzentriert den zweiten Atemzug. Täuschte er sich, oder schmeckte
die Luft schal?
Seine Haut brannte. Das glycerinähnliche Fluid verursachte Reizungen, wie er wusste. Doch das
durfte ihn nicht ablenken.
Immer tiefer glitt die Klinge, bis Tiff den Perianth freibekam. Mit klopfendem Herzen griff er
danach und verstaute ihn in einer Brusttasche.
Wieder umdrehen, den Kopf nach oben bekommen, so rasch wie möglich. Er lag gut in der Zeit,
der Sauerstoff reichte bei Weitem. Hochziehen, am Seil hochhangeln, Griff über Griff setzen
...
Er stieß gegen einen Körper. Gegen eine Wassermeduse, die ihren Leib um das Seil geschlungen
hatte.
Und neben ihr trieben andere. Dutzende, womöglich Hunderte, die eine schier unüberwindlich
wirkende Mauer bildeten und ihm den Weg nach oben versperrten.
*
Die Tiere starrten ihn an, ihre breiten Mäuler weit aufgerissen.
Erstmals erhielt Tiff die Gelegenheit, die Medusen aus unmittelbarer Nähe zu studieren. Wäre
die Situation eine andere gewesen, hätte ihn der Anblick gewiss fasziniert.
Er erblickte mehrere nach innen gerichtete Zahnreihen, die ein Opfer immer tiefer in den
Schlund befördern würden. Das Glycerin flutete ihre Körper, strömte hindurch und blähte sie auf.
Muskelkontraktionen erlaubten ihnen, sich mithilfe der Flüssigkeit vorwärts zu bewegen und dieses
merkwürdige Medium zur Beschleunigung zu nutzen.
Tiff tankte ein drittes Mal frischen Sauerstoff, sammelte seine Kräfte. Er hielt das Messer
vor sich und achtete auf die Armbewegungen der Wassermedusen. Sie beobachteten ihn,
unterschätzten womöglich seine Möglichkeiten.
Er stach unvermittelt zu, so schnell er es gegen den Widerstand zuwege brachte, und ritzte
einen der Arme. Das Tier zog seinen Leib zusammen und glitt nach oben hin weg, doch bevor Tiff
die entstandene Lücke nutzen konnte, war sie bereits von einer anderen Meduse geschlossen.
Sie verständigten sich durch Körperkontakt. Durch Signale, die sie mittels ihrer Arme
weitervermittelten.
Erneut stach er zu, so stark und so schnell es angesichts der dicksämigen Flüssigkeit möglich
war. Er erwischte den Arm eines weiteren Tieres und trennte ihn ab; unendlich langsam trudelte er
an ihm vorbei, hinab zum Boden des Sees, und diesmal schloss sich die Lücke nicht mehr so
rasch.
Seine Gegner wussten nicht so recht, was sie mit ihm anfangen sollten; er passte nicht in ihr
Beuteschema. Und er zeigte sich von ihrer Jagdtaktik unbeeindruckt.
Ein Hieb traf Tiff an der Schulter. Er war schnell, viel zu schnell geführt.
Tiff konnte seine Arme nicht rechtzeitig zur Verteidigung hochreißen. Der Schlag schmerzte
nicht sonderlich, auch nicht die anderen, die nun von allen Seiten auf ihn niederprasselten -
doch sie drohten, seine Schutzausrüstung, seine Atemmaske zu lösen!
*
Er wehrte sich, so gut es ging, ließ das Messer kreisen ... und doch hatte er das Gefühl,
stets zu spät dran zu sein, immer wieder danebenzuzielen.
Tiff war von Körpern und Armen umgeben, von Leibern, die ihn zu zerdrücken drohten, die ihn
mit sich ziehen wollten, weg vom Seil, dem rettenden Fixpunkt inmitten der Glycerin-Masse, in
diesem unbekannten Element.
Ein vierter Atemzug, ein fünfter. Tiff kämpfte sich durch die Masse.
Etwas würgte ihn, und nur mit Mühe konnte er sich des Arms erwehren, sich am Leib einer Meduse
abstoßen, um weitere Zentimeter zu gewinnen, höher zu gelangen, der rettenden Oberfläche
entgegen. Sie schien nur Zentimeter entfernt zu sein ...
Tiff fürchtete, die Orientierung zu verlieren. Wo war oben, wo unten? Zähe Flüssigkeit quoll
in seine Chitin-Maske und füllte langsam den Atemhelm. Er tat einen Atemzug und wusste, dass dies
der letzte sein würde, wenn er es nicht in den nächsten 30 Sekunden nach oben schaffte.
Er teilte weitere Stiche und Hiebe aus. Seine Arme schmerzten vom Kampf gegen das zähe Medium.
In Tiffs Brust pochte es, weil der verfluchte Zellaktivator nicht funktionierte. Im linken Bein
kündigte sich ein Krampf an.
Es war vorbei, wenn ihm nicht gleich der rettende Einfall kam. Jetzt, sofort! Mit roher Gewalt
allein würde er diese Mauer aus Wesen niemals durchdringen können.
Tiff befreite sich aus dem Griff mehrerer Arme und tastete nach dem Perianth, um sich dann im
Kreis zu drehen und den Kristall herzuzeigen, wie einen Schatz, den ...
Wie einen Schatz, den er bereit war zu zerstören. Er ließ das Messer über die Oberfläche
gleiten. Die
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