2593 - Das Paralox-Arsenal
Müdigkeit abzuschütteln.
Wieder in die Kruste des Zeitkorns zurückgekehrt, errichtete er aus verkrüppelten Ästen und
breiten Buschblättern eine notdürftige Unterkunft, in ausreichendem Sicherheitsabstand zum
Glycerin-See, um vor weiteren Überraschungen gefeit zu sein.
Tiff sammelte Informationen über die überaus reichhaltige Flora und Fauna. Sie reichte von
winzigen, blutsaugenden Schädlingen über zeckenartige Geschöpfe, deren Bisse ihm unerwartet
intensive Glücksgefühle bereiteten, bis hin zu fliegenden Schlangenwesen, die sich mithilfe ihrer
ausgebreiteten Häute weit über die Wasseroberfläche hinaustreiben ließen, um dort draußen Jagd
auf quallenartige Geschöpfe zu machen.
Immer wieder blickte er auf den Perianth-Detektor. Er zeigte stets in dieselbe Richtung.
»Der Kristall ist vermutlich im Glycerin verborgen«, sagte er, um gleich darauf wieder zu
verstummen.
Du benötigst eine Art Taucherausrüstung, setzte er das Zwiegespräch in Gedanken fort. Sieh dich um, was die hiesige Flora und Fauna zu bieten haben ...
Einige 50-Stunden-Fristen vergingen, und sie summierten sich zu »mehreren«, die schließlich zu
»unzähligen« wurden. Jahreszeitenwechsel geschahen. Das Glycerin verfärbte sich innerhalb eines
Tages marmorrot, und die Flossen zehn Meter langer und schmal gebauter Räuber durchpflügten die
zähe Flüssigkeit, um unter anderen Bewohnern des Sees blutige Ernte zu halten.
Tiff beglückwünschte sich zu dem Beschluss, nicht gleich nach der Fertigstellung seines mühsam
gezimmerten Bootes aufgebrochen zu sein. Er tat es auch, nachdem eine weitere Färbung der
Flüssigkeit erfolgte und eine neue Sorte von Meeresräubern die kantigen, zahnbewehrten Gesichter
ins Freie reckten, um lautstark nach Nahrung zu schreien.
Er unternahm erste, vorsichtige Testfahrten, gesichert mit aus Pflanzenbast gedrehten Seilen,
um sich jederzeit zurück ans Ufer und in Sicherheit bringen zu können.
Er verbesserte das Boot, experimentierte mit gekochtem Rindensud als Abdichtmittel und wartete
eine Regenperiode in der Sicherheit des Tunnels ab, um danach die Schäden an all den
vorbereiteten Ausrüstungsgegenständen mühselig zu reparieren.
Wie viel Zeit war vergangen, als er endlich meinte, alles zum Gelingen seiner Überfahrt
unternommen zu haben? Ein Menschenjahr? Zwei? Mehr?
Tiff kicherte. Es spielte keine Rolle. Zeit war zur untergeordneten Variablen - oder
Konstanten? - seiner Existenz geworden.
Schließlich schob Tifflor das Boot in den Glycerin-See und packte zwei der kürzeren
Ruderstangen, um sich mit ihrer Hilfe vom Ufer abzustoßen. Wieder einmal hatte er bloß noch 62
Stunden zu leben.
*
Die Tiefe betrug, wie nach den unzähligen Übungsfahrten erhofft, an kaum einer Stelle mehr als
vier Meter. Wenn die Länge seiner Stakstangen nicht ausreichte, griff er zu den bereitliegenden
Rudern und schob das Boot unter größten Anstrengungen vorwärts.
»Kein Flüssigkeitseinbruch, gut, gut«, sagte er und tastete den Boden seines Gefährts ab.
Aneinander gepappte Chitinhüllen der Wasserläufer und mehrere Schichten der Rotbuschblätter, über
Feuer gehärtet, erfüllten ihren Zweck ausgezeichnet.
Da und dort kräuselte sich die Oberfläche. Wassermedusen begleiteten ihn auf seiner Fahrt. Sie
wirkten neugierig.
Die frecheren durchstießen das Wasser mit ihren schmalen Köpfen und beobachteten ihn mit
aufmerksamen Augen, die an meterlangen Stielen hingen. Als eine der Medusen mit einem Arm ins
Innere seines Gefährts griff und umhertastete, versetzte er ihr einen leichten Schlag.
Augenblicklich zog sich das Tier wieder zurück. Für eine Weile ließ der kleine Schwarm von ihm
ab, um ihn nun aus einem größeren Sicherheitsabstand als zuvor zu beobachten.
»Lass dich bloß nicht täuschen, alter Mann!«, sagte sich Tiff. »Die Wassermedusen sind Räuber.
Sie warten geduldig auf ihre Chance. So, wie sie die Schwärme der Wasserläufer verfolgen und auf
den geeigneten Moment zum Zuschlagen lauern.«
Täuschte er sich, oder zeichnete sich am Horizont bereits das andere Ufer ab?
Er blickte auf die Uhr. Er ruderte und stakste nun seit etwa neun Stunden. Sein Körper, in
tagelangen Vorbereitungsübungen gestählt, war schweißnass, und ihn fror.
Gerne hätte er eine Ruhepause eingelegt. Angesichts all der Ungewissheiten, denen er
ausgesetzt war, beschloss er, sich vorerst keine Schonung zu gönnen.
Tiffs Boot zog eine
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