26 - Die Sklavenkarawane
zu umarmen und zu küssen. Auch die übrigen Männer aus Birket Fatma begrüßte er mit großer Freude. War das nicht ein Beweis, daß er der Sohn des Fremden sei?“
„Ganz gewiß!“ antwortete Schwarz.
„Außerdem beschworen die Leute die Wahrheit ihrer Aussage. Der Händler hatte den Sohn eines gläubigen Moslem gestohlen und zum Sklaven gemacht, welches Verbrechen mit dem Tode bestraft wird. Sodann hatte er dem Knaben die Zunge geraubt, damit dieser ihn nicht verraten könne; darauf mußte eine weitere Strafe erfolgen. Die große Versammlung trat also wieder zusammen, um ihm das Urteil zu sprechen. Dieses lautete auf den Tod für den Raub. Für das Herausschneiden der Zunge sollte er täglich die Peitsche erhalten. Und für den Verlust seiner Sprache sollte der verstümmelte Knabe die Sklavenware des Verbrechers empfangen.“
„Wurde dieses Urteil vollstreckt?“
„Nur ein kleiner Teil desselben. Nach dem Gesetz mußte der Schuldige dem Vater des Knaben ausgeantwortet werden. Dies konnte erst nach einer Woche geschehen, denn er war unser Gast, als welcher er für vierzehn Tage in unserem Schutz stand. Darum sperrten wir ihn ein, um ihn nach sieben Tagen den Rächern auszuliefern; aber bis dahin sollte er an jedem Tag durchgepeitscht werden. Dies geschah zweimal unter meiner eigenen Aufsicht. Am dritten Morgen war er entflohen, ohne eine Spur zurückzulassen. Unsere Krieger bestiegen sofort ihre Pferde, um ihn zu verfolgen, aber sie kehrten alle zurück; ohne daß einer ihn gesehen hatte. Die Leute aus Birket Fatma kehrten mit dem Knaben und Sklaven dorthin zurück, auf die Ausführung des Todesurteils hatten sie verzichten müssen.“
„Und dieses Ereignis steht im Zusammenhang mit dem Verlust deines Sohnes?“
„Ja. Nach wenigen Wochen brachte mir ein Bote aus Salamat einen Brief, welcher mit Ebrid Ben Lafsa, dem Namen des Sklavenhändlers, unterzeichnet war. Dieser Hund schrieb, er sei unschuldig verurteilt worden, und er werde sich an mir rächen, daß ich bis an mein Ende an den geraubten Knaben aus Birket Fatma denken solle. Einen Monat später war ich mit meinen Kriegern vom benachbarten Stamm zu einer großen Fantasia eingeladen. Kaum befanden wir uns dort, so kam uns ein Bote mit der Nachricht nach, daß mein Sohn verschwunden sei. Er war in der Nacht geraubt worden, und am Morgen hing an der Zeltstange ein Brief, in welchem Ebrid Ben Lafsa mir mitteilte, daß er sich meinen Knaben an Stelle des anderen geholt habe und daß ich das Kind im Leben nicht mehr erblicken solle.“
„Das ist ja teuflisch; das ist geradezu höllisch!“ rief der Deutsche schaudernd aus.
„Oh, er schrieb außerdem, daß er meinen Sohn für die zweimaligen Schläge täglich peitschen und ihm außerdem auch die Zunge nehmen werde. Ich war wie ein Wahnsinniger. Alle meine und auch die benachbarten Krieger streiften weit umher, um diesen Teufel zu ergreifen – vergeblich! Als wir nach Wochen zurückkehrten, lag mein Weib im Fieber, und da ich ihr den Sohn nicht brachte, starb sie nach wenigen Tagen. Als ich sie begraben hatte, tat ich den Schwur, den du kennst. Ich gab meinen Sklaven die Freiheit, vertraute alle meine Habe meinem Bruder an und wanderte fort, um meinen Sohn zu suchen. Kein Negerfürst, der unter dem Khediven steht, darf einen weißen Sklaven kaufen; ich mußte also im Norden und Westen suchen. Darum wanderte ich nordwärts durch Wadai, durch die Wüste nach Borgu, wieder zurück nach Kanem und Bornu, nach Bagirmi und Adamaua. Ich fragte und forschte an allen Orten, doch stets umsonst. Wenn ich einmal glaubte, die Spur entdeckt zu haben, grinste mir die Enttäuschung bald entgegen. Dann ging ich nach Osten, wo ich ganz Kordofan und Dar Fur durchsuchte; aber auch das war vergebens. Die Jahre schwanden; mein Herz lag im Blut, und mein Haar wurde grau. Der einzige Erfolg, der sich mir zeigte, war die nunmehrige Einsicht, daß ich dreizehn Jahre lang in falscher Richtung geforscht hatte. Ich wandte mich nun doch dem Süden zu, von Habesch aus bis zu den Galla und den größten Seen, dann zu den Völkern, die im Westen davon wohnen. Zwei Jahre sind seitdem vergangen. Ich lebte von der Jagd. Von den Leiden, die ich überstand, und den Gefahren brauche ich dir nicht zu erzählen. Seit mehreren Monaten durchforsche ich die Gegenden der vielen Wasser, aus denen sich der Bahr el Abiad bildet. Ich bin da als Sejad ifjal bekannt geworden, aber meinen Sohn werde ich auch hier nicht finden; ich habe darauf
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