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26 - Die Sklavenkarawane

26 - Die Sklavenkarawane

Titel: 26 - Die Sklavenkarawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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früher zu geschehen pflegten. Wie nun, wenn ich deinen Sohn gesehen hätte, wenn ich ihm begegnet wäre? Kommt dir das so undenkbar vor?“
    „Nein; aber es kann, es kann nicht sein!“
    „So bist du dem Allerbarmer gegenüber ein Giaur und ich bin der Gläubige. Willst du der Botschaft Allahs nur deshalb nicht glauben, weil ein Christ der Bote ist?“
    Bala Ibn warf einen langen forschenden Blick in das vor Genugtuung strahlende Gesicht des Deutschen; seine düstern Züge gewannen mehr und mehr Licht; seine Augen wurden größer und größer, und seine Stimme zitterte, als er sagte: „Allah gibt den Tod; er sendet auch das Leben. Dein Gesicht sagt mir, daß du deine Worte nicht ohne Grund gesprochen hast. Vielleicht glaubst du, mir eine frohe Nachricht geben zu können; ich bin überzeugt, daß du dich irrst, daß es wieder eine jener Täuschungen ist, deren ich Hunderte überwunden habe; aber rede, sprich! Kennst du eine Person, welche mein Sohn sein könnte?“
    „Ja.“
    „Wie alt ist er?“
    „Ungefähr achtzehn Jahre.“
    „Wo befindet er sich?“
    „Er lebt bei den Niam-niam.“
    „Wie heißt er?“
    „Er wird Abd es Sirr ‚Sohn des Geheimnisses‘, genannt; das ist ein Beweis, daß er von unbekannter Herkunft ist. Der Sohn des Fürsten der Niam-niam ist ein Busenfreund. Ich habe einst ein Gespräch dieser beiden belauscht und dabei bemerkt, daß dieser ‚Sohn des Geheimnisses‘, wenn kein anderer es hört, sich von seinem Freund Mesuf nennen läßt.“
    „Allah ist groß! Aber das wird nur ein Zufall sein.“
    „Ich glaube nicht. Kommt der Name Mesuf so häufig vor?“
    „Nein. Ich habe außer meinem Sohn keinen zweiten gefunden, der ihn führt.“
    „Und ich hörte ihn bei jenem Gespräch zum ersten- und heute von dir zum zweitenmal.“
    „Von welcher Farbe ist der Jüngling?“
    „Er ist vielleicht etwas dunkler, als du in seinem Alter gewesen bist.“
    „Das stimmt, das stimmt! Er mußte dunkler sein. Vielleicht ist es doch ein Strahl, der mir heute von dir in meine Dunkelheit geworfen wird. Aber die Hauptsache, die Hauptsache! Hast du die Füße dieses Jünglings gesehen?“
    „Ja. Er hat nur vier Zehen an jedem Fuß; die beiden kleinen Zehen fehlen.“
    „Gott ist groß; Gott ist barmherzig und gnädig!“ rief der Araber fast überlaut. „Mein Herz gewinnt neues Leben, und ich habe ein Gefühl, als ob mein Haar in diesem Augenblick wieder dunkel werden wolle. Ich möchte vor Wonne jauchzen, aber ich darf es nicht, denn wenn ich auch jetzt mich wieder irrte, so würde meine Kraft, es zu ertragen, vielleicht zu Ende sein. Ich darf es nicht wagen, mich mit Zuversicht an deine Worte zu hängen. Ich muß kalt und ruhig bleiben, um das, was du mir mitteilst, wie ein Fremder, den es gar nichts angeht, erwägen zu können. Ich muß alle möglichen Bedenken aufbringen, welche gegen deine Botschaft gefunden werden können.“
    „Das sollst du auch. Du sollst ebenso genau erwägen wie ich. Wenn du Bedenken hast, so teile sie mir mit!“
    „Ich werde es tun. Du hast mir gesagt, daß dieser Jüngling der Freund des Sohnes des Fürsten sei, daß er mit demselben gesprochen habe. Ich bin aber überzeugt, daß mein Sohn, falls er noch lebte, gar nicht sprechen könnte.“
    „Wohl weil der Sklavenhändler dir damals gedroht hat, ihm auch die Zunge herauszuschneiden?“
    „Ja.“
    „Wahrscheinlich hat er es in der Absicht getan, dein Leid dadurch zu vergrößern. Die Klugheit aber riet ihm, die Drohung nicht auszuführen. Früher gab es ja wohl Verhältnisse, welche einen stummen Sklaven als brauchbar erscheinen ließen; das ist aber heute nicht mehr der Fall. Ein Diener muß sprechen können, um imstande zu sein, alle Aufträge seines Herrn auszuführen. Einen Sklaven, welcher stumm, also nur in beschränkter Weise brauchbar ist, wird in der jetzigen Zeit nur selten jemand kaufen. Das wußte der Sklavenhändler. Folglich vermute ich, daß er deinen Sohn nicht verstümmelt hat.“
    „Dagegen ist einzuwenden, daß er ihn aus Rachsucht, nicht aber des Geldgewinns wegen geraubt hat. Er mußte ihn stumm machen, um nicht von ihm verraten zu werden.“
    „Ich wollte mich dieser Meinung anschließen, wenn der Knabe älter gewesen wäre. Und selbst in diesem Fall würde die Stummheit dem Händler keine genügende Sicherheit gewährt haben. Ein Stummer kann schreiben lernen und dann das, was er nicht mit dem Mund zu sagen vermag, zu Papier bringen. Der Knabe war aber kaum drei Jahre alt. In diesem

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