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26 - Die Sklavenkarawane

26 - Die Sklavenkarawane

Titel: 26 - Die Sklavenkarawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Alter genügen Monate, die bisherigen Eindrücke aus der Seele zu verdrängen. Der Sklavenhändler hat sich gewiß gesagt, daß der Knabe, wenn er in vollständig neue Verhältnisse komme, bald alles Bisherige vergessen werde.“
    „Effendi, deine Einwürfe beglücken mich, obgleich ich aus ihnen entnehmen muß, daß der betreffende Jüngling sich der ersten Zeit seiner Kindheit und also auch seiner Eltern nicht mehr erinnern kann.“
    „Was das betrifft, so bin ich nicht imstande, dir genaue Auskunft zu geben. Der ‚Sohn des Geheimnisses‘ spricht niemals von seiner Vergangenheit; aber ich weiß, daß er eine heimliche Rache im Herzen trägt, und vermute, daß sich dieselbe auf den Mann bezieht, der ihn geraubt hat.“
    Der Araber saß längst nicht mehr an der Erde. Er war aufgesprungen, und auch Schwarz hatte sich aufgerichtet. Der erstere stand vor dem letzteren, wie jemand, welcher sein Glück, sein Leben von jedem Wort, welches es hört, abhängig weiß.
    „Eine Rache, eine Rache also hat er!“ sagte er. „Vielleicht hat er alles, alles vergessen, nur das eine nicht, daß er geraubt worden ist. Wie lange befindet er sich bei den Niam-niam? Kam er schon als Knabe zu ihnen?“
    „Nein, sondern erst vor zwei Jahren. Er kam ganz allein und blieb da, ohne jemals mitzuteilen, wer er sei und woher er komme. Daher erhielt er den Namen ‚Sohn des Geheimnisses‘.“
    „Und was tut er bei diesen Schwarzen? Womit ernährt er sich?“
    „Der Sohn des Fürsten war ihm im Wald begegnet und hatte ihn zu seinem Vater gebracht. Der fremde Knabe verstand mit den Waffen umzugehen und zeigte sich gleich in der ersten Zeit so mutig und anstellig, daß der Fürst ihn in seine Leibwache aufnahm. In dieser Stellung befindet er sich so wohl, wie es unter solchen Verhältnissen nur möglich ist. Er hat sich die Zuneigung aller, die ihn kennen, schnell erobert. Er ist sehr schweigsam, aber meine Beobachtungen lassen mich vermuten, daß er trotz seiner Jugend ein viel bewegtes Leben hinter sich hat. Er kennt fast alle Völker vom Bahr el Abiad bis zu den großen Seen; er spricht mehrere ihrer Sprachen und Dialekte – – –“
    „Auch arabisch?“ fiel der Jäger ein.
    „Ja, auch arabisch. Ferner ist er in vielen Dingen geschickt, welche seinen jetzigen Genossen völlig unbekannt sind; kurz, er weiß so viel und ist so gewandt, daß ein jeder Niam-niam ihn beneiden würde, wenn er ihn nicht lieben müßte.“
    „So ist er also ein guter Mensch und steht überhaupt nicht so tief wie ein gewöhnlicher Neger?“ fragte Bala Ibn, indem zum erstenmal ein freudiges Lächeln über sein ernstes, hageres Gesicht glitt.
    „Ja, sein Herz ist gut und rein“, antwortete Schwarz. „Er weiß, daß er den Schwarzen überlegen ist; dieses Bewußtsein spricht sich in seinem Wesen, in seiner ganzen Erscheinung aus, aber sein Stolz ist ein derartiger, daß er nicht verletzen kann. Sooft ich ihn beobachte, ist er mir vorgekommen wie ein junges, edles Roß, welches sich mit gewöhnlichen Pferden auf derselben Weide befindet. Es grast mit ihnen, es gehört zu ihnen, es verträgt sich mit ihnen, und doch sagt der erste Blick, den man auf dasselbe wirft, daß es einst einen schöneren Sattel und einen vornehmeren Reiter tragen werde als die andern.“
    „Allah, o Allah!“ rief der Jäger, indem er die Hände faltete. „Wenn er mein Sohn wäre, wenn er mein Sohn wäre! Ich muß zu den Niam-niam, um ihn zu sehen!“
    „Du hast ihn schon gesehen.“
    „Ich? Wo?“ klang es erstaunt.
    „Zwischen den Trümmern der Seribah Abu el Mots. Hast du den jungen Mann nicht bemerkt, der bei uns war, der allein zum Scheik ging, um uns bei demselben anzumelden?“
    „Ich habe ihn gesehen und großes Wohlgefallen an ihm gehabt. Als mein Auge auf ihn fiel, ging es wie ein fernes Licht in meinem Herzen auf, wie wenn ein verirrter Wanderer den Schein eines Lagerfeuers von weitem erblickt. Der also, der ist's, den du meinst. O Mohammed und alle ihr heiligen Kalifen! Der Jüngling ist in meiner Nähe gewesen, ich habe ihn gesehen, ich hörte seine Stimme und habe nicht geahnt, daß er vielleicht derjenige ist, den ich so lange Jahre hindurch mit Schmerzen suche! Wo befindet er sich jetzt? Wo ist er hin?“
    „Nach der Seribah Madunga. Er ist der Steuermann meines Bootes.“
    „So kennt er den Fluß? So sind ihm die Ufer und Länder desselben bekannt?“
    „Sehr genau. Aber wie und bei welchen Gelegenheit er sie kennengelernt hat, davon spricht er

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