26 - Die Sklavenkarawane
Geheimnisses‘. – „Lagen die Schiffe denn vor Anker?“
„Nein, sie fuhren. Ich habe die Segel gesehen.“
„Dann haben sie das Liban (Zugseil) am Mast, um schneller vorwärts zu kommen. Wenn es zwei Schiffe sind, so gehören sie Abu el Mot. Ich war sehr unvorsichtig, daß ich deinem Befehl, nach links zu steuern, gehorchte. Ich hörte die Leute singen. Das tun sie nur, wenn sie am Liban ziehen oder mit den Mitarah (Stoßstangen) arbeiten. Zum Glück hat hier rechts das Wasser eine Gras- und Omm-Sufahinsel angeschwemmt, welche uns verbergen wird.“
Er steuerte das Boot scharf mitten in diese Insel hinein und ließ dann den Anker fallen. Das war, so weit man sehen konnte, am rechten Ufer der einzige Ort, welcher Schutz gewähren konnte. Aber diese Insel war so niedrig, daß die Männer sich in das Boot legen mußten, um nicht gesehen zu werden.
Der Deutsche mußte das scharfe Gehör des jungen Steuermanns bewundern, denn er selbst hatte nichts von einem Gesang vernommen. Er hörte selbst jetzt noch keinen Ton, obgleich der Jüngling behauptete, das Singen jetzt sogar deutlicher als vorher zu vernehmen.
Bald jedoch drangen die Töne auch in Pfotenhauers Ohr. Es waren die zwei Silben heh – lih, heh – lih, welche immerfort wiederholt wurden. ‚Heh‘ fiel auf den Grundton und ‚lih‘ auf die kleine Terz; die Tonart war also Moll.
Dann aber war eine längere Melodie, ein Lied zu hören, welches mehrere Strophen hatte. Die Worte der ersten waren noch undeutlich; bei der zweiten aber hatten sich die Schiffe schon so weit genähert, daß man den Gesang verstehen konnte. Der Deutsche vernahm die vier Verse:
„Gerebd el beled, gered laoda,
Tered ab schora a loba hamoda.
Ja Rabb, sber t'adil taraqu,
De gib nau mah moktaf rafiqu.“
Man sieht, daß diese Verse sich reimen. Ins Deutsche übersetzt, lauten sie:
„Immer näher der Heimat,
singen und freuen wir uns herzlich
O Gott, gib gute Fahrt,
Wind und den Ruderern Kraft!“
Jetzt kam das erste Schiff um die Krümmung. Es war ein Sandal und hatte volle Segel an den zwei Masten. Vom Vordermast ging das Zugseil nach dem jenseitigen Ufer, an dem man etwa ein Dutzend Männer sah, welche sich vorgespannt hatten. Hinten neben dem Steuermann standen zwei Personen, welche sehr in die Augen fielen, eine sehr lange und sehr dürre, in arabische Tracht gekleidete Gestalt und neben derselben ein Mann, dessen Kleidung aus drei Stücken bestand. Das erste war eine Art Badehose, welche kaum bis an das Knie reichte, das zweite ein Pantherfell, welches ihm hinten von den Schultern niederhing, und das dritte eine sehr hohe, zuckerhutförmige Kopfbedeckung, welche ganz mit Kaurimuscheln bedeckt war und von deren Spitze bunte Glasperlen herabhingen. Sein Gesicht war nicht ganz negerschwarz.
„Der Lange ist Abu el Mot“, sagte der ‚Sohn des Geheimnisses‘.
„Ist er es?“ antwortete der Graue. „Diesen Kerl muß ich mir genau betrachten.“
Er legte sein Fernrohr auf den Rand des Bootes und richtete es nach dem berüchtigten Sklavenjäger. Dann fuhr er fort: „Er hat freilich ganz das Aussehen des Todes. Dieser Mensch ist ein wahres Gerippe. Wer mag der andere sein, welcher neben ihm steht?“
„Er ist ein Beng-did (Großer Herr) der Nuehr, denn bei ihnen dürfen nur die Anführer solche Mützen tragen. Siehst du die Schwarzen, welche mit den Stoßstangen arbeiten und dabei singen? Das sind Nuehr. Ich ersehe das aus der Art und Weise, wie sie ihr Haar tragen.“
„So kommt dieser Abu el Mot viel eher, als ich dachte. Wie weit haben wir noch bis zur Seribah Madunga?“
„Wir werden sie gerade mit Sonnenuntergang erreichen. Sie liegt am rechten Ufer des Stromes; darum hat Abu el Mot sich an das linke gehalten. Wären wir nicht so schnell umgekehrt, so hätten diese Leute uns jetzt schon entdeckt. Weil ihnen die Lebensmittel fehlen, beeilen sie sich sehr und verlassen sich nicht bloß auf den Wind.“
Dieser war dem Sandal günstig, denn er kam aus Nord. Die Stoßstangen vermehrten die Geschwindigkeit des Fahrzeuges so, daß die Leute, welche am Ufer am Seil zogen, Trab laufen mußten.
Als der Sandal vorüber war, erschien das zweite Schiff, ein etwas kleinerer Noqer, welcher auch unter vollen Segeln ging und überdies vom Ufer aus am Seil gezogen wurde. Sein Deck war von Nuehrs gefüllt.
Das Lied war zu Ende; man hörte wieder das einfache heh, – lih, heh – lih, welches desto leiser wurde, je weiter sich die beiden Schiffe aufwärts
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