260 - Fly me to the moon
Wald, der den Strand auf seiner ganzen sichtbaren Länge säumte und von dem sie bislang nicht wussten, wie weit ins Hinterland er sich erstreckte.
Es waren überwiegend konifere Gewächse, die den Blick verstellten; manche erreichten eine Höhe von zwanzig, dreißig Metern.
»Wir sind ja nicht ganz wehrlos«, erwiderte Vogler und winkte mit dem Schockstab, den er von Quart’ol erhalten hatte. »An uns beißt man sich schnell mal die Zähne aus.« Er grinste.
Clarice war nicht nach Scherzen zumute. »Egal. Ein Feuer wäre so oder so nicht schlecht. Wenn wir es in Gang halten, erleichtert es unserem Abholkommando, uns zu finden.«
»Dafür haben wir den Peilsender, der permanent anmessbar bleibt.«
Sie sah ihn missmutig an. »Du willst es nicht kapieren, oder?«
» Was? «
»Ich bin Romantikerin. Und ich will jetzt mein Feuer!«
2.
Die Stille jenseits der Kuppel schien fast greifbar. Auf Dauer war sie belastender als jeder andere Aspekt seines Aufenthalts.
Tartus Marvin Gonzales bettete seine Augen in die Okularprojektion des künstlichen visuellen Cortex und blickte hinüber zu dem Planeten, der gegenwärtig – auch das zeigte das Teleskop an – 372.450 Kilometer entfernt lag. Ein Katzensprung verglichen mit der Entfernung, die Gonzales zurzeit von seiner Heimat trennte. Zum Mars waren es etwa hundert Millionen Kilometer. Wenn sich Erde und Mars am nächsten kamen, schmolz diese Distanz schon mal auf etwa fünfzig Millionen zusammen, aber sie konnte im ungünstigsten Fall auch über vierhundert Millionen betragen.
Gegenwärtig näherten sie sich einer für die bevorstehende Heimkehr extrem günstigen Konstellation. Der Gedanke daran beherrschte Gonzales schon beim Aufstehen und verließ ihn erst, wenn er sich wieder schlafen legte – wobei: Nicht selten schlich die Sehnsucht sich auch in seine Träume. Er konnte es kaum noch erwarten, seinen Fuß wieder auf einen Planeten zu setzen, der die für ihn gewohnte Schwerkraft und auch sonst alles hatte, wonach sein Wohlgefühl verlangte.
Nur noch ein paar Tage, dann würde die jährliche Ablösung eintreffen.
Und trotzdem… Irgendwie bedauerte er auch, diesen Beobachtungspunkt aufzugeben, ihn einem anderen Wissenschaftler zu überlassen. Bei den anderen beiden Cortex-Stationen auf den Marsmonden würde es dank der Nähe zur Heimat nicht so ungezwungen und beschaulich zugehen wie hier.
Gonzales strich sich gedankenverloren über die breite Narbe entlang des rechten Wangenknochens und lächelte still in sich hinein.
Letztlich hatte ihn die Herausforderung mehr als gereizt. Die Möglichkeit, an einem Ort wie diesem, umgeben von luftleerem Raum, die Kinderkrankheiten der vielleicht wichtigsten MOVEGONZ-Entwicklung der letzten Jahrzehnte auszumerzen. Eine Erfindung, die das Tor zur Enträtselung der immer noch offenen Urknallfragen aufstoßen würde… zumindest war das die Hoffnung, die die Astronomen des Mars hineinsetzten. Sobald die Praxisdaten der drei Teleskope auf Phobos, Deimos und dem Erdmond vorlagen, konnte an ihre Optimierung gegangen werden.
Tartus Marvin Gonzales seufzte und justierte den künstlichen Cortex des Teleskops auf ein bestimmtes Gebiet der Erde. Heute bin ich ein Pionier , dachte er wehmütig, und morgen, zurück auf dem Mars, wieder ein Wissenschaftler unter vielen. Aber was soll’s? Andere Fakultä-
ten haben auch schöne Absolventen…
Wenn es eine Eigenschaft gab, die er selbst an sich schätzte, dann die, dass er sich noch nie bierernst genommen hatte. Das engte seiner Meinung nach nur den geistigen Horizont ein. Und wo wäre dessen Beschränkung unangebrachter gewesen als in der Astronomie?
Nach mehrminütiger Erdbeobachtung, die durch Wolkenschleier behindert wurde, wechselte Gonzales das Ziel. Der Computer übernahm die Neuausrichtung, und es dauerte keine zehn Sekunden, bis der Cortex fündig wurde.
Mit bloßem Auge war der Mars nur ein blinkender Stern unter vielen. Aber mit dem virtuellen , hoch auflösenden Teleskop schaffte Gonzales es mühelos, den Planeten heranzuzoomen und aus dem Lichtpunkt eine rötliche Scheibe zu machen, die fast ebenfalls wie ein Auge aussah – ein entzündetes allerdings.
Gonzales fluchte, als ihm klar wurde, dass der 3-D-Effekt wieder Mucken machte. Statt der – theoretisch möglichen und auch angestrebten – plastisch wiedergegebenen Kugel war momentan nur die zweidimensionale Variante zu generieren.
»Was ist?«, fragte Titus Tsuyoshi, der mit derselben Passage zum Mond gekommen
Weitere Kostenlose Bücher