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263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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folgte den beiden in einigem Abstand. Die Kriegerin musste vorsichtig bleiben. Brythuula wusste um das ausgezeichnete Gehör ihres Liebhabers.
    Die Sonne warf ihre ersten Strahlen über niedrige Baumwipfel, als sie den heimatlichen Hof der Frau erreichten. Mehrere Wisaaun schrien nach Futter.
    Hermon öffnete den Türverschlag und schob Layla ins Innere. Weiteres Gelächter und Gekicher ertönten; Geräusche, die Brythuula schier wahnsinnig machten. Auf leisen Sohlen trat sie an die Bretterbude heran. Sie würde Hermon für seine Untreue zur Rechenschaft ziehen und das Miststück, das ihn verführt hatte, mit einem einzigen Schwerthieb töten! Sie…
    ... konnte es nicht.
    Brythuula blieb vor der Türe stehen, unfähig, das Haus zu betreten. Irgendetwas hinderte sie, ihre düsteren Gedanken in die Tat umzusetzen. Stattdessen drückte sie sich neben das Fenster und lauschte mit angehaltenem Atem.
    Hermon flüsterte Layla etwas zu. Sie lachte. Stoff riss, die Stimme des Weibsstücks hörte sich nun schrill und aufgeregt an.
    Sie will den letzten Schritt nicht tun! , dachte Brythuula voll Häme. Sie hat meinen Schatz gegängelt, um nun vor dem eigentlichen Liebesabenteuer zurückzuschrecken. Was für ein feiges Aas!
    Sachte schob Brythuula den Vorhang beiseite und lugte ins Innere, geleitet von einer merkwürdigen Mischung aus Wut und Neugierde. Hermon bugsierte sein Opfer soeben auf das Bettlager. Halbtrunken versuchte Layla ihn zurechtzuweisen, sich seinen Armen zu entziehen. Brythuula ahnte, dass ihre Mühe umsonst sein würde. Ab einem gewissen Punkt war Hermon nicht mehr zu bremsen. In ihm loderte dann eine alles verschlingende Leidenschaft, die an einen ausbrechenden Feuerberg gemahnte.
    Anfänglich wirkte der Widerstand der Frau spielerisch; doch je heftiger ihre Bewegungen waren und je deutlicher sie ihre Angst zur Schau stellte, desto aggressiver wurde Hermon. Er schlug Layla wuchtig ins Gesicht. Mit der flachen Hand; einmal links, einmal rechts. Brythuula fühlte die Befürchtung in sich wachsen, dass hier etwas schrecklich schief lief. Dass sie eingreifen musste, um dieses Unrecht zu verhindern.
    Da war diese fürchterliche Erinnerung an… an ähnliche Dinge. An demütigende Erfahrungen, die Hermon ihr zugefügt hatte. An Schändung. An Nächte, die sie geweint, und an Tage, da sie heimlich versucht hatte, die Spuren der Untaten von ihrem Körper zu waschen.
    Wie hatte sie nur jemals Liebe und Zuneigung zu diesem Monster empfinden können? Was ging in ihr vor?
    Brythuulas Zorn erreichte Dimensionen, die sie niemals zuvor gespürt hatte. Sie zog ihr Schwert aus der Scheide, betrachtete prüfend die geschliffene Klinge und schwang ihr rechtes Bein ins Fenster. Sie würde es ihm zeigen, diesem Tier auf zwei Beinen…
    Sie verharrte, plötzlich unfähig, auch nur ein Glied zu bewegen. Irgendetwas raubte ihr die Wut, packte sie in einen Schleier und legte eine Schicht an Zufriedenheit und Sanftmut darüber.
    Lächelnd sah sie zu, wie sich Hermon an seinem Opfer verging. Einmal, zweimal. Die Schreie der Frau gingen in Schluchzen über, um als verzweifeltes Winseln zu enden, als der Händler endlich von ihr abließ.
    Er drehte sich zu Brythuula um und blickte ihr tief in die Augen. Hatte er denn die ganze Zeit gewusst, dass sie dagestanden und zugesehen hatte?
    »Sagte ich nicht, du sollst auf meine Waren aufpassen?«, schnappte er und kam näher. Er packte sie am Kragen ihrer Sommerjacke und zog sie zu sich in den engen Raum.
    »Entschuldige bitte«, flüsterte Brythuula. Ein letzter Rest der ehedem so tapferen und stolzen Kriegerin steckte noch in ihr. Er wollte ausbrechen, wollte sich wehren gegen dieses Ungeheuer in Menschengestalt. Doch sie war zu schwach, viel zu schwach.
    Hermon hieb ihr seine Faust in den Magen. Der Schmerz explodierte in ihr, sie sackte zu Boden. »Das wird dich lehren, meine Anweisungen zu missachten«, schrie er sie an. »Und jetzt scher dich weg von hier! Ich habe noch etwas zu erledigen.«
    »Ja, Liebster«, flüsterte Brythuula und kam mühsam auf die Beine. Irgendetwas knackste bei jedem Schritt. Es stach in den Magen und zwang sie, flach zu atmen.
    Sie verließ das Haus durch die Vordertür und trat in den Hof. Die Vögel zwitscherten, die Wisaaun brüllten nach Futter. Eine Lischette mit rotgrünblau schillernden Flügeln setzte sich sachte auf Brythuulas Arm.
    Sie fühlte sich gut wie selten zuvor. Wie hatte sie jemals an Hermon zweifeln können?
    8.
    Thgáan gewährte

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