263 - Von Menschen und Echsen
Schopf und schüttelte ihn kräftig aus, wie ein zahmer Lupa.
»Lass das!« Hermon packte sie an der Schulter. In seinem Gesicht zeigte sich Wut. »Du bist ein kleines dummes Gör, das wie ein Steinklotz an meinen Füßen hängt! Ich hätte dich niemals hierher mitnehmen sollen…«
»Aber, aber! Wer wird denn gleich böse werden?« Brythuula schob sich eng an ihren Liebhaber und biss ihn zärtlich in die Unterlippe. »Du hast ja recht: Ich bin ein schlimmes Mädchen. Möchtest du mich bestrafen? Hier, am Strand? Du hast ohnedies nichts zu tun, während deine beiden Helfer die Waren an Land bringen.«
Er schubste Brythuula beiseite. Sie landete unsanft im Sand; die feinen Körnchen klebten augenblicklich im eben gewaschenen Haar fest.
Für einen Augenblick wallte Zorn in ihr hoch. Wie konnte es der Händler wagen! Sie war eine stolze Kriegerin von den Dreizehn Inseln, und niemand durfte sie derart demütigen…
Sie lächelte. Hermon meinte es nicht böse. Er war nervös. Während der kommenden Tage würde er neue Handelswege erkunden und sich mit tumben Barbaren herumschlagen müssen. Brythuula musste ihm seine Erregung verzeihen.
Sie stand auf, strich ihre Kleidung glatt und trippelte ihm folgsam hinterher. Er hatte sich bereits auf den Weg gemacht, einen kaum erkennbaren Pfad die Uferböschung hinauf. Er würde sich bei ihr entschuldigen. Alles würde wieder gut werden.
Das Dorf war schäbig, und es stank nach Unrat. Misstrauische Blicke folgten ihnen, als sie sich den größten Hütten im Zentrum der Ansiedlung näherten. Ein Kind lief greinend über den Vorplatz; eine verhärmt dreinblickende Frau fing es rasch ab und versteckte es hinter ihrem Rockzipfel.
»Ich bin gekommen, um mit euch Handel zu treiben!«, rief Hermon mit volltönender Stimme. »Ich habe euch Schätze mitgebracht, wie ihr sie niemals zuvor gesehen habt - und von denen ihr nicht einmal wusstet, dass es sie gibt!«
Seine Ansprache ähnelte derjenigen, die er auch in Brythuulas Dorf gehalten hatte - und war dennoch ganz anders. Das Idiom der Wandernden Völker war kaum verständlich, immer wieder schmuggelte er eine schmutzige Bemerkung in seinen vorbereiteten Text. Hermon schien ganz genau zu wissen, was die hiesigen Barbaren hören wollte. Bald öffneten sich erste Verschlage, neugierige Gesichter ließen sich blicken. Da und dort kicherte ein Halbwüchsiger, das schmutzstarrende Gesicht einer Frau lief rot an.
Die beiden Seeleute hatten zwei schwere Kisten über den Pfad ins Dorf geschleppt, um sich nun tunlichst im Hintergrund zu halten. Erst als Hermon den Befehl gab, öffneten sie eine der Truhen. Billiger Tand, aus weichem Kupfer getrieben, kam zum Vorschein.
»Schmuck, wie er das Herz einer jeden Frau erfreut!«, rief Hermon und schöpfte mit beiden Händen aus seinem Angebot. »Wärmende Jagdkleidung, stählerne Angelhaken, schier unzerreißbare Netze und Käscher, festes Schuhwerk. Messer, Bögen, Kurzschwerter, Schleudern! Küken, die nur wenige Monde gemästet werden müssen, um ihre Eier zu klauben oder ihr zartes Fleisch zu essen. Lischettenkokons«, er knackte den Vorderteil eines dunklen, runzlig wirkenden Stabes auf und warf ihn hoch in die Luft; unter allgemeinen Ahs und Ohs schlüpfte eine bunt gescheckte Zwerglischette daraus hervor und setzte sich vertrauensselig auf die Finger des Händlers, »Langwürmer, die das Pflügen erleichtern, getreue Jagdvögel…«
Die Frauen kamen als Erste. Neugierig traten sie näher, Schritt für Schritt. Ihre Leiber wirkten ausgemergelt, ihre Haut schmutzig und runzlig. Hätten sie nicht andere Beinkleider als ihre Männer getragen, hätte Brythuula sie kaum voneinander unterscheiden können.
Ein Mädchen machte den Anfang. Es beugte sich über die zweite Truhe, ließ ihre Finger über eine Kette aus Muscheln und winzigen Perlen gleiten.
Brythuula spürte einen Stich in der Brust. Hermon lächelte das junge Ding auf eine ganz besondere Art an. So, als interessierte sie ihn wirklich .
Wie konnte das sein? Sie war seine Freundin! Sie begleitete ihn!
Na schön - wenn man sich all den Schmutz wegdachte und über die schadhaften Zähne hinweg sah, mochte das Mädchen ein recht passables Aussehen besitzen. Aber Hermon konnte unmöglich…
Er schäkerte mit ihr. Er drückte sich eng an sie, scherzte, reichte ihr vertraulich eine Hand. Selbstverständlich tat er dies nur, um das Eis zwischen ihm und den Dorfbewohnern zu brechen. Um eine Basis des Vertrauens zu schaffen und seine
Weitere Kostenlose Bücher