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263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Menschenfrauen spielte ihm bei seinem Vorhaben sicherlich in die Hände, und sein Erscheinungsbild würde ihm die Sucharbeit erleichtern. Grao machte sich auf den Weg. Er stülpte die Lippen vor und tat etwas, das die Barbaren »pfeifen« nannte.
    Seltsam. Er empfand etwas, das seiner bisherigen Sicht der Dinge divergent entgegenstand: Er fühlte sich wohl.
    ***
    Grao'sil'aana mochte das Volk der Dreizehn Inseln geläufig sein; von dessen wechselhafter Geschichte wusste er indes nichts, sonst hätte er eine andere Tarnung gewählt. Die Frauen gaben sich insbesondere fremden Männern gegenüber verschlossen und misstrauisch, wie er bald feststellen musste. Aber nun war es zu spät, die Gestalt abermals zu wechseln.
    Eine gealterte Kriegerin namens Silesiaa, die gemeinsam mit vier Töchtern ihren Hof bestellte, nahm Grao schließlich auf und stellte ihm Arbeit in Aussicht. Doch erst musste er seine Gedankenwelt durch eine der vielen Lauscherinnen der Bevölkerung überprüfen lassen.
    »Du hast keine Gedanken!«, stieß die Telepathin verwirrt hervor. »Wie ist das möglich?« Sie rückte von ihm ab. »Bist du ein Dämon?«
    Grao gab sich amüsiert. »Aber nein!«, winkte er ab und beugte den Kopf nach vorne. »Mag sein, dass du mich nicht erlauschen kannst, weil ich vor Jahren einen schweren Unfall hatte.« Er deutete auf eine Narbe, die sich vom Stirnansatz nach hinten zog und die er eine Sekunde zuvor ausgebildet hatte. »Mein Kopf war fast entzwei. Ich überlebte nur durch ein Wunder.«
    Die Lauscherin nickte langsam. »Mag sein«, sagte sie unsicher. »Die Stimmen von Menschen mit Kopfkrankheiten sind leiser. Undeutlicher.«
    »Na, siehst du.« Grao beglückwünschte sich zu seiner Idee. Die Wahrheit indes war, dass der animalische Aufbau seines Echsengehirns verhinderte, dass telepathisch begabte Primärrassenvertreter darin lesen konnten. Das hatte in der Vergangenheit oft verhindert, dass daa'murische Spione, die unter den Menschen lebten, enttarnt wurden. Die Daa'muren selbst hatten dagegen keine Probleme, in den Gedanken der Primitiven zu lesen. Leider war ihm selbst diese Fähigkeit am Uluru geraubt worden.
    »Also schön«, sagte Silesiaa, »kräftige Männer, die von außerhalb stammen, finden sich selten auf den Inseln. Du erhältst zwei Mahlzeiten am Tag, ein Strohlager im Stall und jede Woche eine Ration Alkohol, die du dir selbst einteilst. Ich verlasse mich darauf, dass du sorgsam damit umgehst. Trunkenbolde kann ich nicht gebrauchen. Wenn ich sehe, dass du deine Arbeit gut machst, erhältst du frische Bekleidung und, wenn vom Verkauf des Viehs am Herbstmarkt etwas übrig bleibt, einen Anteil am Gewinn. Einverstanden?«
    »Einverstanden.« Grao spuckte in die Rechte und reichte sie der alten Kriegerin, so wie es Brauch war. »Ich danke dir, Silesiaa. Als Reisender ist man stets auf das Gutdünken der Bevölkerung angewiesen.«
    »Nichts zu danken, Groom.«
    Groom - so nannte er sich in seiner neuen Identität. Den Namen Grao zu benutzen hätte nur die Gefahr in sich geborgen, dass seine Zielpersonen auf ihn aufmerksam wurden, wenn sie zufällig von ihm erfuhren.
    Silesiaa ließ ihre Blicke interessiert über seinen Körper schweifen. »Wir haben ja beide etwas von unserem Geschäft, nicht wahr?«
    Sie fand ihn attraktiv. Er hatte also seine Tarnung doch gut gewählt. »Lass uns später darüber reden.« Grao drehte sich zur Seite und achtete darauf, dass das Spiel seiner Muskeln unter seinem künstlichen Gewand gut zur Geltung kam. Silesiaa würde ein gutes Opfer abgeben.
     
    Das gesellschaftliche Leben auf den Dreizehn Inseln war von sonderbaren Ritualen geprägt. Die Erfahrungen der letzten Jahre hatten Grao gelehrt, diese Dinge zu akzeptieren, ohne lange darüber nachzudenken. Wenn er die Sinnhaftigkeit von Götteropferungen, von Gesprächsstunden am Lagerfeuer oder von zeremoniellen Sitzungen bei den Schamaninnen anzweifelte, so würde er niemals das Vertrauen der dominanten Menschenfrauen erringen.
    Nacht für Nacht wärmte er Silesiaa in ihrem Bettlager; auch den Töchtern musste er sich reihum widmen. Doch diese Angelegenheiten ließen sich problemlos erledigen. Warum die Menschen so viel Wert auf endlose Wiederholungen des Fortpflanzungsaktes legten, blieb ihm zwar rätselhaft. Doch er empfand eine gewisse Befriedigung angesichts der Macht, die ihm seine Manneskraft bescherte.
    »Morgen ist Handelstag«, sagte Silesiaa schläfrig und drehte sich ihm zu. »Wenn du möchtest, kannst du

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