263 - Von Menschen und Echsen
er hasste die Witterungen, er hasste den Jahreszeitenwechsel.
Und dennoch…
Gewisse Dinge hatte er begonnen zu akzeptieren. Kühle Logik alleine brachte ihn in diesem nach Emotionen stinkenden Biotop nicht weiter. Er hatte lernen müssen. Lernen, die Unvernunft der Menschen und anderer Erdbewohner in seine Überlegungen mit einzubeziehen.
Grao'sil'aana legte sich auf den Rücken und starrte in den wolkenlosen Himmel. Jahrelang hatte er mit Daa'tan die Erde durchstreift. Jetzt, da sein Mündel tot war, wurde es Zeit, sich einer ernsthaften Selbstanalyse zu unterziehen.
Hatte das Leben auf diesem Planeten auf ihn abgefärbt - und wenn ja: wie sehr? Wie konnte er sich seine… seine Gefühle für Daa'tan erklären? Welche seltsamen Einflüsse machten ihn anfällig für Gemütsbewegungen?
Thgáans Schwingen bewegten sich unruhig. Der Lesh'iye wechselte in eine neue, stürmische Strömung, die seinen Körper höher und höher trug. Die Luft schmeckte nun anders, und Grao'sil'aana musste seine Atmung an die veränderten Bedingungen anpassen. Sein Brustkorb hob sich drei- bis viermal so schnell wie zuvor.
»Ich verändere mich«, sagte er. Seine Stimme klang dünn. »Das ist gut. Je mehr ich mich den Lebensbedingungen auf der Erde anpasse, desto leichter wird es mir fallen, meine Ziele zu erreichen.«
Nur allzu gerne hätte er einen Gesprächspartner bei sich gewusst. Einen Lun oder gar den Sol. Daa'muren, die ihm Ratschläge erteilen oder in das strenge Befehlskorsett seines Volkes hätten zwingen können.
Doch er war alleine. Der Wandler und mit ihm sein Volk hatte die Erde verlassen. Es gab keine Instanz mehr, an die er sich wenden konnte. Er war frei. Er war, um es mit den Worten der Menschen auszudrücken, Prinz und Bettelmann gleichermaßen. Befehlender und Befehlsempfänger. Je nachdem, wie er es halten wollte.
Die Muskeln unter der ledigen Haut Thgáans fühlten sich gut an. Sie gaben ihm ein Gefühl der Macht.
Grao'sil'aana gab dem Lesh'iye den Befehl, tiefer zu gehen. Er wollte seinen Körper nicht noch weiter an die Verhältnisse anpassen müssen und dabei Kraft verlieren. Und er wollte Details der Welt unter sich erkennen können.
War die Erde… schön?
Schönheit war ein Attribut, das er noch nicht ausreichend analysiert hatte. Grao wusste: Wollte er auf das Treffen mit Maddrax und Aruula vorbereitet sein, musste er noch viel lernen. Bislang war jeder Angriff auf den Primärfeind und dessen Gefährtin fehlgeschlagen. Er musste wissen, wie sie die Welt sahen, um sie überlisten und vernichten zu können.
7.
Brythuula schmiegte sich an den Händler. Seine Hände streichelten über ihren Körper. Sie waren so geschickt, so… so…
Hermon war ganz anders als die Männer von den Dreizehn Inseln. Er hofierte die Kriegerinnen, ohne jemals kriecherisch zu wirken. Er war intelligent genug, um zu wissen, wann er zu schweigen oder die Begehrlichkeiten einer Frau zu erfüllen hatte. Um andererseits auf seinen Rechten zu beharren, wenn ihm eine Sache wichtig war.
Die kleine Schaluppe schwankte im Wellengang eines heftigen Sturmes, doch es kümmerte Brythuula nicht. Auf Deck schrien sich die beiden Seeleute Anweisungen zu. Sie fürchteten sich, wie sie selbst sich einmal vor dem Meer geängstigt hatte. Doch hier, in Hermons Armen, fühlte sie sich nur noch glücklich. Es konnte ihr nichts geschehen, solange sie den Händler an ihrer Seite wusste.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte er leise. »Schlaf jetzt.« Er zeigte das Grinsen eines Mannes, den nichts und niemand erschüttern konnte.
Brythuula fielen die Augen zu. Während die Seeleute um ihr Schiff und ihr Leben kämpften, träumte sie von Hermon.
»Endlich wieder Land unter den Beinen! Ich fühle mich wie gepökelt«, lachte sie und sprang über Bord ins flache, sandige Wasser. Links von ihr entdeckte sie ein schmales Rinnsal, das sich seinen Weg durch wild wachsendes Gebüsch bahnte. Brythuula bückte sich, schöpfte mit beiden Händen vom kühlen Nass und nahm vorsichtig einen Schluck.
»Herrlich!«, rief sie. »Komm und trink! Das schmeckt ganz anders als eine Kelle brackigen Wassers aus dem wurmstichigen Fass an Bord.«
»Sagte ich nicht, dass du vorsichtig sein solltest?« Hermon trat zu ihr. Er hielt seine Rechte am Schwertgriff. »Die Bewohner dieses Landes gelten als unberechenbar.«
»Aber was!« Brythuula nahm einen weiteren Schluck. »Ich weiß mich genau wie du meiner Haut zu erwehren.« Sie tauchte ihr Haar ins Wasser, hob ihren
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