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263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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allmählich zweifelte Bahafaa an ihrem eigenen Urteilsvermögen. Konnte es sein, dass sie und Grao sich doch geirrt hatten…?
    Dann ein erstickter Aufschrei. Bewegungen, durch den schmalen Schlitz auszumachen, die auf einen Kampf hindeuteten.
    »Haltet sie fest!«, hörte Bahafaa Hermons Stimme. »Ich werde ihr zeigen, was es bedeutet, sich in meine Angelegenheiten einzumischen.«
    Sie mussten Juneeda zu Hilfe kommen! Bahafaa wollte hochspringen, die Waffe ziehen, die Schamanin befreien; doch Groom hielt sie energisch zurück.
    »Du weißt, was wir besprochen haben!«
    »Aber… aber wir können doch nicht einfach zusehen, während Hermon ihr Leid antut!«
    »Es muss sein. Und jetzt still!« Er drückte sie beiseite, achtete nicht weiter auf sie, presste sein Gesicht wieder gegen den Spalt.
    »Was geschieht? Sag schon!«, fragte Bahafaa. Ihr Herz pochte laut, ihr Körper zitterte.
    »Sieh selbst.«
    Bahafaa hockte sich neben Groom und spähte durch die Lücke. Ihr Herz schlug so laut, dass sie meinte, Hermon müsse es hören können. Sie fühlte Angst, Widerwillen - und Neugierde.
    Die beiden fremden Mädchen hatten Juneeda gepackt, während Brythuula ihren Kopf weit nach hinten bog und die Schamanin zwang, den Mund zu öffnen. Der Händler nestelte an seinem Gürtel herum, zog ein Ding in der ungefähren Größe eines kleinen Fingers aus seinem Beutel. Er hielt es mit spitzen Fingern vor sich und brachte das zappelnde Etwas immer näher an Juneedas Kopf heran.
    »Nimm es in den Mund!«, sagte er mit süßlich klingender Stimme.
    Die Priesterin wollte protestieren, ihren Zorn in die Welt hinausbrüllen - doch Brythuula drückte ihr fest gegen den Hals. Kein Ton drang aus ihrer Kehle. Juneeda röchelte, schnappte nach Luft, wollte den Kopf beiseite drehen. Die Kriegerin hinderte sie mit einer Kraft, die ihr Bahafaa angesichts des ausgemergelten Körpers nicht zugetraut hätte.
    »So ist es gut, mein Schatz«, meinte Hermon. »Keine Angst - es tut nicht weh. Zumindest nicht zu Beginn.« Er lachte hässlich.
    Juneeda trat und schlug um sich. Auch wenn ihr Leben den Göttern, der Heilkunst und schamanischen Ritualen gewidmet war, so besaß sie dennoch einige Erfahrung im Kampf. Für einen Augenblick dachte Bahafaa, dass sich die Priesterin befreien könnte; doch Hermon packte sie, bevor sie den Griffen der drei jungen Frauen entkam - und schlug ihr wuchtig übers Gesicht.
    Juneeda gab jeden Widerstand auf. Halb betäubt hing sie in den Armen des Händlers, und als er ihr mit brachialer Gewalt die Kiefer auseinander drückte, starrte sie bloß apathisch gegen die Decke.
    »Was steckt er ihr in den Mund?« fragte Bahafaa angewidert.
    »Es sieht wie die Larve einer Lischette aus.«
    Schweigend und über alle Maßen angewidert sah Bahafaa zu, wie Hermon das schwarze Ding auf Juneedas Zunge legte, wo es zum Leben erwachte, kaum dass es die Feuchtigkeit des Mundraums spürte. Mit ruckartigen Bewegungen glitt die Insektenlarve in ihren Hals hinab.
    Der Priesterin drohten die Augen aus den Höhlen zu quellen. Sie ächzte und würgte, doch der Händler und seine drei Helferinnen hielten sie erbarmungslos fest.
    Sie erstickt! , dachte Bahafaa panisch. Neuerlich wollte sie aufspringen, doch wieder fühlte sie Grooms schwere Hand auf ihrer Schulter. Er zwang sie, hierzubleiben und sich das grausame Schauspiel bis zum Ende anzusehen.
    Juneedas Gesichtsausdruck veränderte sich. Waren da vor wenigen Augenblicken noch Panik und Widerwillen gewesen, so wirkte die Schamanin nun ruhig und zufrieden. Hermon und die drei Frauen lockerten ihre Griffe und traten schrittweise zurück.
    Verschwinde! , wollte Bahafaa der Priesterin zurufen. Raus aus der Hütte und lauf, so schnell du kannst!
    Doch Juneeda blieb. Ihre Blicke fanden Hermon. »Ich liebe dich«, sagte sie und lächelte.
    10.
    Bahafaa war ihm einerseits Belastung; andererseits nutzte er sie als Medium, um in ihrem Gesicht Emotionen ablesen und die Situation folgerichtig aus der Sicht eines Menschen beurteilen zu können. Seine Begleiterin fürchtete sich - und dennoch wollte sie Juneeda beistehen. Einer jener Frauen, die sie seit ihrer Jugend wie Dreck behandelt hatten.
    Mitleid , urteilte Grao'sil'aana. Bahafaa identifiziert sich mit ihrer Artgenossin. Sie folgt archaischen Reflexen, die bereits ihre frühesten Vorfahren in der Sicherheit ihrer Höhlen erlernt haben. Der Mensch hilft stets dem Menschen, wenn es gegen Raubtiere oder unbekannte Kreaturen geht.
    Grao nahm die

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