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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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vögelten miteinander im Bett und auf dem Teppich.
    Chuchos Verhalten bis zu diesem Moment war eher zärtlich und mehr um die Lust seiner Partnerin bemüht als um seine eigene. Schließlich hatte Rosa einen Orgasmus, worauf Chucho Flores sie verließ und eine Metalldose aus seiner Jacke holte. Rosa dachte, es handele sich um Kokain, aber die Dose enthielt kein weißes Pulver, sondern winzige gelbe Pillen. Chucho Flores nahm zwei davon und spülte sie mit einem Schluck Whisky herunter. Eine Weile lagen sie nur ausgestreckt auf dem Bett und unterhielten sich, bis er sie erneut nahm. Diesmal war sein Verhalten gar nicht mehr zärtlich. In ihrer Überraschung protestierte Rosa nicht und sagte nichts. Chucho Flores schien gewillt, sie in allen möglichen Stellungen zu nehmen, von denen einige, wie Rosa später dachte, ihr sogar gefielen. Bei Tagesanbruch hörten sie auf zu vögeln und verließen das Motel.
    Auf dem Innenhof, der als Parkplatz diente und gegen die Straße durch eine rote Backsteinmauer abgeschirmt war, standen noch andere Autos. Die Luft war frisch und trocken und trug einen leichten Moschusgeruch heran. Das Motel und seine unmittelbare Umgebung schienen wie unter einer Glocke des Schweigens zu liegen. Während sie auf der Suche nach ihrem Wagen über den Parkplatz gingen, krähte ein Hahn. Das Geräusch beim Öffnen der Autotüren, der startende Motor, die über den Schotter rollenden Reifen, all das hallte wie Trommelschläge in Rosas Ohren. Auf der Straße waren keine Lastwagen unterwegs.
    Von da an wurde ihre Beziehung zu Chucho Flores immer seltsamer. Es gab Tage, an denen schien es, als könne er nicht ohne sie leben, dann wieder behandelte er sie, als wäre sie seine Sklavin. In manchen Nächten schliefen sie in seiner Wohnung, und wenn Rosa morgens aufwachte, war er verschwunden, denn Chucho Flores musste gelegentlich sehr früh raus, um für eine Live-Sendung im Radio zu arbeiten, die »Guten Morgen, Sonora« oder »Guten Morgen, Freunde« hieß, genau wusste sie es nicht, weil sie nie den Anfang der Sendung mitbekam, einer Sendung, die von Lastwagenfahrern gehört wurde, die in der einen oder anderen Richtung die Grenze passierten, von den Busfahrern, die die Arbeiter in die Fabriken brachten, und von allen Menschen in Santa Teresa, die früh aus den Federn mussten. Wenn Rosa aufwachte, machte sie sich Frühstück, meist ein Glas Orangensaft, dazu einen Toast oder ein Stück Gebäck; anschließend spülte sie den Teller, das Glas und die Orangenpresse ab und ging. Manchmal blieb sie etwas länger, schaute aus den Fenstern auf die unter einem kobaltblauen Himmel daliegende Stadt, machte dann das Bett und lief durch die Wohnung, wobei sie nichts anderes tat, als über ihr Leben und ihre Beziehung zu dem merkwürdigen Mexikaner nachzudenken. Sie fragte sich, ob Chucho sie liebe, ob das, was er für sie empfand, Liebe war, und ob es Liebe war, was sie für ihn empfand, oder körperliche Anziehung oder noch etwas anderes, und ob das alles war, was sie von einer Partnerschaft erwarten durfte.
    An manchen Nachmittagen stiegen sie in sein Auto und fuhren mit Höchstgeschwindigkeit Richtung Osten, zu einem Aussichtspunkt in den Bergen, von dem aus man in der Ferne Santa Teresa sah, die ersten Lichter der Stadt, den riesigen schwarzen Fallschirm, der gemächlich auf die Wüste sank. Jedes Mal wenn sie dort waren und den Wechsel von Tag zu Nacht beobachtet hatten, knöpfte Chucho Flores seine Hose auf, fasste sie beim Nacken und drückte sie nach unten und ihr Gesicht in seinen Schritt. Rosa nahm dann seinen Penis in den Mund, lutschte ihn ein wenig, bis er hart wurde, und begann ihn dann mit der Zunge zu verwöhnen. Sie merkte, wenn Chucho Flores kam, weil dann der Druck seiner Hand zunahm und es ihr unmöglich machte, den Kopf abzuwenden. Rosa hielt ihre Zunge still und verharrte reglos, als wäre sie an dem Penis in ihrem Mund erstickt, bis sie spürte, wie er seinen Samen in ihre Kehle pumpte, und auch dann bewegte sie sich noch nicht, obwohl sie das Stöhnen und die oft unglaublichen Ausrufe ihres Geliebten hörte, der beim Orgasmus gern obszöne Worte und Beleidigungen hervorstieß, nicht gegen sie, sondern gegen unbestimmte Personen, Hirngespinste, die nur in diesem Moment auftauchten und rasch in der Nacht verhallten. Noch mit einem bittersalzigen Geschmack im Mund zündete sie sich dann eine Zigarette an, während Chucho Flores seinem silbernen Zigarettenetui ein gefaltetes Briefchen Kokain

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