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2666

2666

Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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»aber nicht die Luft, die wir atmen, auch nicht die Luft draußen auf der Straße, sondern die Luft der Wüste, eine Gewitterluft, die nicht so riecht wie die Luft hier, die auch nicht nach Natur riecht wie auf dem Land, sondern die so riecht, wie sie riecht, ein eigener Geruch, den man nicht beschreiben kann, ganz einfach Luft, reine Luft, soviel Luft, dass du manchmal vor lauter Luft keine Luft kriegst und glaubst, du erstickst.«
    »Also«, schloss Rosa, »wenn dich ein Polizist vögelt, dann ist es so, als würde dich ein Gebirge im Innern seiner selbst vögeln, und wenn dich ein Drogenboss vögelt, dann ist es so, als würde dich die Luft in der Wüste vögeln.«
    »Bingo, Schätzchen, wenn dich ein Drogenboss vögelt, dann immer unter freiem Himmel.«
    Damals fing es an, dass Rosa Amalfitano in aller Form mit Chucho Flores ging. Er war der erste Mexikaner, mit dem sie schlief. An der Universität hatte es zwei oder drei Jungs gegeben, die um sie herumscharwenzelten, mit denen aber nichts gelaufen war. Mit Chucho Flores dagegen ging sie ins Bett. Die Zeit des Umwerbens währte nicht lang, länger jedoch, als Rosa erwartet hatte. Als Chucho aus Hermosillo zurückkam, brachte er ihr als Geschenk ein Perlenhalsband mit. Allein vor dem Spiegel probierte Rosa es an, und obwohl das Halsband durchaus schick war (und ihn außerdem eine Stange Geld gekostet haben musste), konnte sie sich nicht vorstellen, es jemals zu tragen. Rosas Hals war lang und schön, aber dieses Halsband verlangte nach einer anderen Garderobe. Diesem ersten Geschenk folgten weitere: Wenn sie durch das Viertel mit den Modeboutiquen kamen, blieb Chucho Flores manchmal vor einem Schaufenster stehen, zeigte auf ein Kleidungsstück und bat sie, es anzuprobieren, er würde es ihr kaufen, wenn es ihr gefiel. In der Regel probierte Rosa erst das an, worauf er gezeigt hatte, dann andere Sachen, und schließlich verließ sie das Geschäft mit etwas, das ganz nach ihrem Geschmack war. Außerdem schenkte Chucho Flores ihr Kunstbände, weil er sie einmal über Malerei hatte reden hören und über Maler, deren Werke sie in berühmten Museen in Europa gesehen hatte. Andere Male schenkte er ihr CDs, normalerweise Klassik, doch wie ein Touristenführer mit Sinn für Lokalkolorit wählte er hin und wieder für seine Geschenke Musik aus dem Norden Mexikos oder mexikanische Folklore, die Rosa später, wenn sie allein zu Hause war, im Hintergrund laufen ließ, während sie Geschirr spülte oder für sich und ihren Vater die Wäsche wusch.
    Abends gingen sie gewöhnlich in guten Restaurants essen, wo sie jedes Mal Männer und, seltener, Frauen trafen, die Chucho Flores kannten und denen er sie als seine Freundin vorstellte, Señorita Rosa Amalfitano, Tochter des Philosophieprofessors Óscar Amalfitano, meine Freundin Rosa, Señorita Amalfitano, was sogleich Bemerkungen über ihre Schönheit oder ihre Erscheinung nach sich zog, dann Bemerkungen über Spanien und Barcelona, eine Stadt, die alle, ausnahmslos alle wichtigen Persönlichkeiten von Santa Teresa im Zuge einer Rundreise besucht hatten und für die sie nur lobende Worte und schmeichelhafte Kommentare übrig hatten. Eines Nachts brachte er sie nicht gleich nach Hause, sondern fragte sie, ob sie mit ihm mitkommen wolle. Rosa nahm an, dass er sie in seine Wohnung bringen werde, aber er fuhr immer weiter in westlicher Richtung, bis sie Santa Teresa hinter sich gelassen hatten, und nachdem sie dreißig Minuten eine einsame Landstraße entlanggefahren waren, kamen sie zu einem Motel, in dem Chucho Flores ein Zimmer mietete. Das Motel lag mitten in der Wüste, genau an einer Anhöhe, und neben der Straße gab es nur graue Büsche, die teilweise ihre vom Wind freigelegten Wurzeln zeigten. Das Zimmer war groß, und das Bad besaß einen Whirlpool, der fast einem kleinen Schwimmbecken glich. Das Bett war rund, und an den Wänden und an einem Teil der Decke hingen Spiegel, die es noch größer erscheinen ließen. Den Boden bedeckte ein Teppich, fast so dick wie eine Matratze. Es gab keine Minibar, sondern eine richtige kleine Bar, die die verschiedensten alkoholischen und nichtalkoholischen Getränke enthielt. Als Rosa ihn fragte, warum er sie hierher gebracht hatte, an einen Ort, wie ihn sich typischerweise die Reichen für sich und ihre Nutten aussuchten, sagte Chucho Flores nach einem Moment des Nachdenkens, wegen der Spiegel. Er sagte das so, als würde er sie um Verzeihung bitten. Dann zog er sie aus, und sie

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