Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2666

2666

Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
Vom Netzwerk:
Begleitung eines älteren, etwa fünfzigjährigen Typen, der nach eigener Aussage sein Geld mit dem An- und Verkauf von Immobilien verdiente und Chucho wie seinen Neffen behandelte. Nach dem Film fuhren sie in ein Edelrestaurant, und hinterher setzte Chucho Flores sie zu Hause ab, wobei er noch hinzufügte, dass er am nächsten Tag früh aufstehen müsse, weil er für ein Radiointerview nach Hermosillo fahren würde.
    Damals trafen sich Rosa Amalfitano und Rosa Méndez nicht nur im Videoladen von Charly Cruz, sondern auch bei ihr zu Hause in der Siedlung Madero, wo sie im dritten Stock eines alten vierstöckigen Gebäudes ohne Aufzug eine Wohnung hatte, die sie viel Geld kostete. Anfangs hatte Rosa sich die Wohnung mit zwei Freundinnen geteilt, wodurch die Miete erträglich blieb. Eine der Freundinnen aber wollte ihr Glück in DF versuchen, mit der anderen zerstritt sie sich, und seither wohnte sie allein dort. Rosa Méndez lebte gern allein, wenngleich sie sich einen zweiten Job suchen musste, um es sich leisten zu können. Manchmal verbrachte Rosa Amalfitano Stunden in der Wohnung von Rosa Méndez, lag schweigend auf dem Sofa, trank etwas Kühles und lauschte den Geschichten, die ihre Freundin erzählte. Manchmal redeten sie über Männer. Auf diesem wie auf anderen Gebieten besaß Rosa Méndez reichere und vielfältigere Erfahrungen als Rosa Amalfitano. Sie war vierundzwanzig und hatte nach eigener Aussage vier Liebhaber besessen, die sie geprägt hatten. Den ersten mit fünfzehn, einen Typen, der in einer Maquiladora arbeitete und sie verließ, um in die USA zu gehen. An ihn dachte sie mit Zärtlichkeit zurück, obwohl er von allen Liebhabern in ihrem Leben die geringsten Spuren hinterlassen hatte. Als Rosa das sagte, lachte Rosa Amalfitano, und ihre Freundin lachte mit, obwohl sie nicht genau wusste, warum.
    »Du redest wie ein Bolero«, sagte Rosa Amalfitano.
    »Aber genau so war es«, erwiderte Rosa Méndez, »die Boleros sagen nämlich die Wahrheit, Schätzchen, all die Texte kommen ja direkt aus dem Herzen des Volkes und sagen immer die Wahrheit.«
    »Nein«, sagte Rosa Amalfitano, »es scheint nur so, als sagten sie die Wahrheit, es scheint nur so, als seien sie authentisch, in Wirklichkeit erzählen sie totale Scheiße.«
    In solchen Situationen versuchte Rosa Méndez lieber erst gar nicht zu diskutieren. Stillschweigend erkannte sie an, dass ihre Freundin, die ja nicht umsonst zur Universität ging, von diesen Dingen mehr verstand als sie. Der Freund, der in die USA gegangen war, fuhr sie fort, hatte zwar, wie gesagt, die geringsten Spuren in ihrem Leben hinterlassen, dennoch vermisste sie ihn am meisten. Wie war das möglich? Sie wusste es nicht. Die anderen, die, die danach kamen, waren anders. Und das war es auch schon. Einmal erzählte Rosa Méndez, wie es sich anfühlte, mit einem Polizisten zu schlafen.
    »Das ist der Hammer«, sagte sie.
    »Warum, was ist der Unterschied?«, wollte ihre Freundin wissen.
    »Ich kann's dir nicht genau erklären, Schätzchen«, sagte Rosa Méndez, »es ist so, als würde man mit jemandem bumsen, der nicht ganz Mensch ist. Als wäre man wieder ein Kind, verstehst du? Als würde dich ein Felsen bumsen. Ein Gebirge. Du weißt, du wirst auf den Knien liegen, bis das Gebirge sagt, das war's. Und du liegst da und bist ganz voll.«
    »Voll womit?«, fragte Rosa Amalfitano, »voll Sperma?«
    »Nein, Schätzchen, werd nicht vulgär, voll mit was anderem. Es ist so, als würde dich ein Gebirge bumsen, aber als würde es dich in einer Grotte bumsen, verstehst du?«
    »In einer Höhle?«, fragte Rosa Amalfitano.
    »Genau«, sagte Rosa Méndez.
    »Oder als würde dich ein Gebirge vögeln, aber in einem Schacht oder in einem Stollen im Innern dieses Gebirges«, sagte Rosa Amalfitano.
    »Ganz genau«, sagte Rosa Méndez.
    Und dann sagte sie:
    »Ich liebe das Wort vögeln. Wie schön ihr Spanier euch ausdrückt!«
    »Du bist ja verrückt«, sagte Rosa Amalfitano.
    »Schon von klein auf«, sagte Rosa Méndez.
    Und fügte hinzu:
    »Soll ich dir noch was erzählen?«
    »Schieß los«, sagte Rosa Amalfitano.
    »Ich habe mit Drogenbossen gevögelt. Ich schwöre. Willst du wissen, wie sich das anfühlt? Es fühlt sich an, als würde dich die Luft bumsen. Nicht mehr und nicht weniger, die pure Luft.«
    »Also, mit einem Polizisten vögeln ist so, als würde dich ein Gebirge bumsen, und mit einem Drogenboss bumsen ist so, als würde dich die Luft vögeln.«
    »Ja«, sagte Rosa Méndez,

Weitere Kostenlose Bücher