Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
einzelnen Reiter kommen. Er ließ sein Tier niederknieen, stieg ab und schlich sich vorsichtig nach dem Brunnen. Ich konnte die Züge seines Gesichtes nicht erkennen, aber seine Kleidung und seine Gestalt ließen erraten, daß du es seist. Ich kam herbei und sah dich auf dem Hügel stehen, von wo aus du mich riefst. Jetzt weißt du alles und wirst mir das Zeugnis geben, daß ich als Held und Mann gehandelt habe!“
    Er sagte das in so zuversichtlichem Ton, daß es mit meiner Selbstbeherrschung nun endlich zur Neige ging. Ich war ergrimmt über diesen Menschen und fuhr ihn an:
    „Als Held und Mann? Weißt du, was du bist? Du bist der allergrößte Feigling und Schafskopf, der mir jemals vorgekommen ist!“
    Man nehme mir diesen Ausdruck nicht übel. Gegen die geradezu haarsträubenden Schimpfreden, deren sich der Araber bedient, ist das Wort Schafskopf die reine Schmeichelei. Dennoch rief Selim betroffen aus:
    „Wie nennst du mich? Habe ich das verdient? Ich hatte Lob und Anerkennung erwartet, und –“
    „Anerkennung?“ unterbrach ich ihn. „Ich erkenne nur an, daß du ein Nichtsnutz bist, ein Taugenichts, der stets das große Wort führt, aber vor der Nase einer Maus erschrickt. Hättest du gehandelt wie ein Mann, o, nicht wie ein Mann, sondern nur wie ein leidlich mutiger Knabe, so säßen der Lieutenant und Ben Nil jetzt als Sieger hier am Brunnen. Dann wollte ich es gelten lassen, wenn du von Mut und Tapferkeit redetest!“
    „Effendi, ich verstehe dich nicht!“
    „So will ich mich verständlicher machen. Du hast nicht gewacht, sondern geschlafen; um so mehr war es deine Pflicht, die Folgen deiner Unachtsamkeit möglichst auf dich zu nehmen. Da unten rangen deine beiden Gefährten, welche jedenfalls auch im Schlaf überfallen wurden, denn sonst hätten sie sich ihrer Schußwaffen bedient, mit den fünf Gegnern. Ben Nil, der noch fast ein Knabe ist, stieß den einen nieder. Und was tatest du? Du befandest dich hier oben auf einem Punkt, welcher das Tal beherrschte. Du hattest deine Waffen bei dir, denn du trägst sie ja noch jetzt. Hättest du auf die Kerls geschossen, dort von deinem sicheren Standpunkt aus, an welchem dir die Feinde gar nichts anhaben konnten, so wäre der Verlauf des Kampfes ein ganz anderer geworden, denn die Gefährten hätten Luft bekommen. Aber anstatt dies zu tun, bist du feig davon gerannt, hast sie ihrem Schicksal überlassen und brüstest dich nun mit der Kühlheit deines Verstandes. Wenn mich nicht deine unendliche Dummheit erbarmte, so würde ich jetzt dafür sorgen, daß es deinem Verstand etwas wärmer würde. Und da wagst du, mir zu sagen, daß du die Gefangenen allein retten wolltest, wenn ich nicht den Mut dazu besitze! Was hast du denn verdient? Was soll ich denn eigentlich mit dir tun? Sag' mir das einmal!“
    Er stand in zusammengeknickter Haltung und mit niedergeschlagenen Augen wie ein ausgescholtener Schulbube vor mir und hatte nicht den Mut zu antworten.
    „Nun, rede doch! Sage, wie habe ich gesprochen, falsch oder richtig?“
    „Tamahm, tamahm ketir – richtig, sehr richtig, Effendi!“ entfuhr ihm, jedenfalls ganz wider Willen, seine gebräuchliche Redensart.
    Das klang so sonderbar, daß mein Zorn schnell verschwand. Was konnte er auch dafür, daß er das Herz eines Hasen bekommen hatte! Und seine Aufschneidereien? Nun, die allgemeine Erfahrung lehrt, daß die größten Feiglinge mit dem Mund gern die größten Helden sind. Darum fuhr ich in milderem Ton fort:
    „Das war endlich einmal ein richtiges, ein wahres Wort von dir, und ich hoffe, daß es der Anfang einer nachhaltigen Besserung ist!“
    „O Effendi, ich bin doch nicht so schlimm, wie du denkst!“
    „Davon wollen wir jetzt nicht sprechen. Schlimm ist zunächst die Lage, in welcher sich Ben Nil und der Lieutenant befinden. Wir müssen ihnen Hilfe bringen.“
    „Natürlich, natürlich; das versteht sich ja ganz von selbst! Aber wie?“
    „Wie lange sind sie schon fort?“
    „Wenig über eine Stunde.“
    „Was für Kamele harten die Feinde? Lastkamele?“
    „Nein, leichte Reitkamele.“
    „So ist keine Zeit zu versäumen. Ich muß fort.“
    „Du? Nicht auch ich?“
    „Ja, du meinetwegen auch. Eigentlich sollte ich dich fortjagen, aber ich will ein Nachsehen haben und dir erlauben, mir zu folgen.“
    „Ich habe doch kein Kamel! Diese Halunken haben das meinige mitgenommen.“
    „Daraus schließe ich, daß ihre Klugheit keine große ist. Sie haben zwei Gefangene. Aus dem Umstand, daß es

Weitere Kostenlose Bücher