27 - Im Lande des Mahdi I
bemerkte.
Nun trieb ich mein Kamel wieder vorwärts, legte das Gewehr über den Sattel und nahm den einen Revolver in die Hand. So ritt ich um den linken Hügel herum, stieg da ab und schlich mich vorsichtig weiter bis dahin, wo ich zwischen den beiden Hügeln hindurch nach dem Brunnen sehen konnte. Ich bemerkte mit dem ersten Blick, daß derselbe zugeschüttet war. Ein Mensch befand sich nicht da.
Die Fährte deutete auf fünf Reiter. Waren meine drei Gefährten, als sie dieselben kommen sahen, sofort davongeritten, um den Onbaschi aufzusuchen? Ich sah die fünffache Fährte nach dem Brunnen führen und untersuchte nun die andere, welche wieder heraus- und nach Nordosten weiterging. Sie zeigte die Hufeindrücke von acht Kamelen. Das stimmte. Erst waren meine drei Leute fort und dann später die fünf Fremden. Später? O nein! Die Spuren waren gleich alt, keine auch nur eine halbe Stunde jünger als die andere. Die acht Kamele hatten zu gleicher Zeit den Brunnen verlassen. Mir wurde angst, und doch beruhigte es mich, aus den noch scharfen, nicht eingefallenen Sandrändern der Hufeindrücke zu ersehen, daß nach dem, was hier geschehen war, höchstens eine Stunde vergangen sein konnte. Also war es mir, falls meine Leute sich in Gefahr befinden sollten, wohl möglich, ihnen noch Hilfe zu bringen.
Ich ging nun zum Brunnen. Da sah ich an dem Fuß der linken Anhöhe einen Sandhaufen, welcher vorher nicht dagewesen war, wohl vier Ellen lang, zwei breit und eine hoch, fast wie ein Grab. Der Sand war locker, ich begann ihn aufzuwühlen. Dabei bemerkte ich unweit von mir eine rotgefärbte Stelle. Hier war also Blut geflossen! Wer lag unter dem Haufen? Ich arbeitete fast krampfhaft weiter. Ein nackter Fuß kam zu Vorschein und dann noch einer.
Sollte ich den Körper nach und nach von einer Sanddecke befreien? Das ließ meine Ungeduld nicht zu. Ich faßte also die beiden Füße, zog und zog und riß endlich den ganzen Körper mit einem gewaltsamen Ruck aus dem Sand.
Gott sei Dank, es war weder der Lieutenant, noch Ben Nil, noch Selim! Es war ein mir fremder, bärtiger, sonnenverbrannter Mann mit halb arabischem und halb negerartigem Gesicht. Mann hatte ihm die Kleider genommen; er war ganz nackt, und in seiner Brust klaffte eine breite Stichwunde. Der Messerstoß hatte das Herz getroffen.
Wer war der Mann? Wer hatte ihn erstochen? Es trieb mich fort, die Fährte schleunigst aufzunehmen, aber die Überlegung sagte mir, daß ich ruhig und bedachtsam sein müsse und hier nichts versäumen dürfe. Ich hatte hier unten genug gesehen und konnte mir den Vorgang erklären. Fünf Reiter waren gekommen; meine Gefährten hatten sich gewehrt und einen von ihnen getötet; man hatte sie aber überwältigt und gefangengenommen. Dann war der Tote begraben, der Brunnen verdeckt und jede Spur des Geschehens verwischt worden. Nur die blutige Stelle hatte man gelassen; sie sollte um Rache zum Himmel schreien.
Es war klar, daß meine Kameraden sich in Lebensgefahr befanden; dennoch folgte ich ihnen nicht sofort, sondern stieg zunächst auf den Hügel, auf welchem ich geschlafen hatte, und hielt Umschau. Es war ja möglich, daß ich von diesem Standpunkt aus noch irgend etwas bemerkte, was mir von unten entgangen war. Und richtig, ich hatte mich nicht geirrt! Ich entdeckte etwas, sogar etwas sehr Wichtiges.
Nämlich ungefähr tausend Schritte von den drei Hügeln, zwischen denen sich der Brunnen befand, lag eine einzelne Anhöhe; in halber Entfernung sah ich einen Mann, welcher langsam und zögernd, ja ängstlich, näher kam. Er war sehr lang, sehr dürr, trug einen weißen Haïk und einen riesigen Turban von derselben Farbe. Das war ja mein Aufschneider, mein Großprahler, der alte Schlingelschlangel!
„Selim, Selim, ich bin es!“ rief ich ihm zu. „Komm schnell; du hast nichts zu befürchten!“
„Tamahm, tamahm ketir – richtig, sehr richtig!“ brüllte er als Antwort. Dann setzte er seine langen, ‚tapferen‘ Beine in so eilige Bewegung, daß er in der Zeit einer halben Minute vor mir stand, der ich inzwischen rasch wieder zu der Leiche hinabgestiegen war.
„Allah sei Lob, Preis und Dank gesagt, daß du gekommen bist. Effendi!“ begrüßte er mich. „Jetzt ist alles, alles gut, denn ich hoffe, daß du mir helfen wirst, den Lieutenant und Ben Nil zu retten. Solltest du dich aber fürchten, so werde ich es ganz allein unternehmen!“
„Prahle nicht! Jedenfalls bist du wieder einmal feig gewesen, sonst ständest du nicht
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