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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihn zu bewegen, seine Leute vom Widerstand abzuhalten. Ich durfte nun hoffen, daß kein Blut fließen werde, mußte aber leider sofort erfahren, daß diese Hoffnung eine trügerische war, denn eben jetzt ertönte eine überlaute, schnarrende Stimme von der Felsenhöhe herab:
    „Halt an, halt an; bleib hier, bleib hier!“
    Das war die Stimme Selims, des ‚Schleuderers der Knochen‘. Ich erriet sogleich, was seine Worte zu bedeuten hatten. Einer der Gefangenen war entflohen; vielleicht waren beide fort. Der Lärm mußte die Sklavenjäger wecken. Jetzt brüllte der Kerl mit einer wahren Löwenstimme von oben herab:
    „Effendi, Effendi, paß auf! Der Mokkadem und der Muza'bir sind fort!“
    So ein Unglücksmensch! Ich war wütend auf ihn. Also ich sollte aufpassen; er aber hatte nicht aufgepaßt. Wer sollte die Entflohenen in dieser Finsternis sehen, verfolgen und ergreifen? Das war ganz unmöglich. Man mußte sie laufenlassen. Aber in anderer Beziehung galt es, rasch zu handeln. Ich gebot dem Wächter:
    „Du bleibst mit Ben Kasawi hier und haftest mit deinem Kopf für ihn. Sollte einer der Entflohenen hier herabkommen, so schießt du ihn nieder!“
    Und zu dem Häßlichen mich wendend, fuhr ich fort:
    „Dich werde ich jetzt durch die Linie meiner Asaker, welche euer Lager umschließt, bringen. Du sagst deinen Leuten, daß sie umzingelt sind. Ich habe Befehl gegeben, jeden von euch, welcher sich aus dem Lager wagt, zu erschießen. Teile das deinen Genossen mit und warne sie! Wenn sie dieser Warnung gehorchen, werde ich vielleicht Milde walten lassen.“
    Ich löste seine Fesseln, nahm ihn beim Kragen und schob ihn vor mir her. Ben Nil ging mit. Bei unserer Linie angekommen, ließ ich den Menschen los, und er machte sich schleunigst aus dem Staub. Nun war abzuwarten, für welches Verhalten die Sklavenjäger sich entschließen würden. Die Asaker mußten sich zu Boden legen, weil sie, gegen den Himmel blickend, da jeden Annähernden leichter erkennen konnten. Ich aber gab Ben Nil mein Gewehr zum Halten und kroch auf das Lager zu.
    Der Häßliche hatte vorhin von mir erfahren, wie oft ich Lauscher gewesen war. Besaß er nur einigermaßen Klugheit, so mußte ihm der Gedanke kommen, daß ich vielleicht auch jetzt wieder horchen werde, und konnte seine Maßregeln danach treffen. Dennoch wagte ich mich weit und weiter vor, bis ich das erste Zelt erreichte. In der Nähe desselben standen die Jäger in einem dunkeln Haufen. Ich hörte, daß der Häßliche auf sie einsprach, und konnte nur einzelne Worte oder Silben verstehen; das reichte aber hin, mir über ihre Absicht klarzuwerden. Während einige Männer bei den Zelten zurückbleiben sollten, wollten die andern nach der Seite ausbrechen, in welcher sich Ben Kasawi befand, und diesen holen. Gelang es, ihn zu befreien, so hatte ich einen Trumpf weniger in den Händen.
    Es gab einen Gegencoup. Wir konnten die Kerle passieren lassen und uns dann ganz leicht des Lagers bemächtigen; aber das wäre sehr fehlerhaft gewesen, da ich nicht nur das Lager, sondern auch die Sklavenjäger haben wollte. Ich beschloß also, die letzteren gar nicht durchzulassen. Sie waren gewarnt; griffen sie uns dennoch an, nun, so hatten sie die Verantwortung der Folgen zu tragen.
    Ich kehrte also schnell zurück und zog die Hälfte meiner Leute an einem Punkt zusammen, welcher die Ausfallsrichtung beherrschte; sie knieten, die Gewehre schußfertig haltend, eng nebeneinander nieder. Kaum war das geschehen, so hörte ich die Feinde kommen; bald sahen wir sie; sie kamen gekrochen. Unsere Läufe senkten sich; ein Ruf von mir – sie krachten; das Echo erscholl von dem Felsen zurück, und in dasselbe mischte sich das Geschrei der Getroffenen und der – Fliehenden.
    Ja, sie flohen; sie wichen zurück; sie hatten den Mut verloren. Daraus schloß ich, daß ihr Verlust kein ganz unbedeutender sei. Ich hatte nicht geschossen, sondern dies nur im Fall der Not tun wollen. Die so eng zusammengetretenen Asaker kehrten wieder jeder in seine vorherige Stellung zurück, damit der Halbkreis ein geschlossener bleibt.
    Jetzt kam von rückwärts einer gelaufen; ich ging ihm entgegen. Noch hatten wir einander nicht erreicht, so blieb er stehen und rief:
    „Effendi, Effendi, wo bist du? Ich suche dich!“
    Selim war es, der unglückliche Selim. Dieser alte Schlingel konnte doch nichts, gar nichts anders als geradezu verkehrt machen!
    „Halt den Mund!“ antwortete ich ihm. „Was fällt dir ein, so zu

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