27 - Im Lande des Mahdi I
den Gesetzen und Vorschriften, nach denen man ehrliche Leute behandelt. Ich habe euch überlistet; das ist alles; von Heimtücke kann keine Rede sein. Wenn ein Panther eure Herden lichtet, und ihr beschleicht ihn, um ihn zu töten, ist das Heimtücke von euch? Nein, es ist nur Notwehr. Sklavenjäger aber stehen noch tief, tief unter dem wildesten Tier. Es liegt in der Natur des letzteren, sich durch Raub zu ernähren; der Mensch aber soll ein Abbild Gottes sein, welcher die ewige Liebe ist. Ein reißendes Tier tötet seine Beute mit einem einzigen Schlag seiner Tatze; ihr aber bringt diejenigen, welche in eure ruchlosen Hände fallen, in ein Elend, welches erst nach vielen Jahren endet. Ihr seid keine Menschen mehr, sondern die verächtlichsten und verworfensten Kreaturen, welche die Erde trägt. Darum ist es die Pflicht eines jeden braven Mannes, euch auszurotten, und wenn man dies durch List versucht und auch erreicht, so ist das keineswegs verdammlich, sondern im Gegenteil sehr löblich gehandelt.“
„Nun“, knirschte Ben Kasawi, „wenn du uns mit wilden Tieren vergleichst, so fürchte unsere Tatzen! Du hast zwar die Flinten meiner Leute gestohlen, aber sie haben noch ihre Messer und Pistolen.“
„Was können sie damit gegen unsere Gewehre ausrichten? Und sie schlafen ja. Ein einziges Wort von mir, und ihr Schlaf verwandelt sich in den Tod.“
„Wage das nicht! Ibn Asl würde sich entsetzlich rächen.“
„Wie denn? Sobald er kommt, läuft er mir in die Hände.“
„Selbst wenn du ihn ergreifst, hast du noch viele andere, Mächtigere zu fürchten. Denke nur an den Mokkadem der heiligen Kadirine und an den Muza'bir, welche schon längst deine Feinde sind! Sie halten zu uns, und was du uns tust, das ist, als ob es ihnen geschehen sei.“
„Das gebe ich zu, und darum sollen sie mit ganz demselben Maß gemessen werden, nach welchem ihr von uns zu messen seid. Ihr seid gefangen und seht eurer Bestrafung entgegen; ganz dasselbe ist auch mit ihnen der Fall.“
„Mache mir das nicht weis. Du würdest niemals wagen, deine Hand an den Mokkadem zu legen.“
„Ich habe dieses ‚Wagnis‘ nun nicht mehr nötig, weil es bereits geschehen ist. Gerade die beiden, welche du nanntest, liegen da oben auf dem Felsen, genau ebenso gefesselt wie ihr.“
„Das ist – das ist –!“
„Wahr, vollständig wahr!“ fiel ich ein und erzählte ihm den Sachverhalt ausführlich. Die Kerle fühlten sich tief beleidigt, aber auch ebenso tief beschämt. Sie wußten, daß ich ihnen jetzt die volle Wahrheit mitgeteilt hatte; sie waren überzeugt, daß wir uns wirklich in dem Besitz des Mokkadem und des Muza'bir befanden. Wenn ich es gewagt hatte, mich an dem erstem zu vergreifen, nun, so war keine Hoffnung vorhanden, daß ich mich vor ihnen selbst fürchten und sie schonen würde. Diesen Eindruck vertiefte ich durch die Hinzufügung:
„Was soll ich nun mit all dem Ungeziefer tun, welches ich gefangen habe und noch fangen werde? Es von der Erde vertilgen, wie es die Menschenpflicht mir vorschreibt! Als Sklavenjäger steht ihr unter einem andern Richter, aber ihr habt meinen Gefährten vergiften wollen; darauf setzt das Gesetz der Wüste und die Sorge für unsere Sicherheit den Tod. Ihr habt sehr wenig Zeit, euch auf denselben vorzubereiten. Ich werde kurzen Prozeß mit euch machen.“
„Das könntest du nicht verantworten!“ fuhr Ben Kasawi auf. „Wir sind Untertanen des Khedive, du aber bist ein Fremder!“
„Ihr handelt gegen die Gesetze des Khedive und erkennt ihn also nicht als euern Herrn und Regenten an; folglich ist nur nach Wüstenrecht mit euch zu verfahren. Ihr werdet zertreten wie die Mistkäfer, auf welche die Füße der Kamele treffen.“
„So willst du, ein Christ, Menschenblut vergießen? Du sagtest vorhin, daß der Christ ein Diener der ewigen Liebe sei!“
„Aber er ist auch zugleich ein Diener der ewigen Gerechtigkeit. Jetzt, wo es dir an das Leben geht, nimmst du deine letzte Zuflucht zu meinem Glauben, zu meiner Lehre; vorhin aber nanntest du mich einen Christenhund. Nun wird der ‚Hund‘ dein Richter sein.“
„Wir wissen, daß du im Auftrag des Raïs Effendina handelst; du hast uns also an ihn auszuliefern!“
Ah, er hatte also Angst; er glaubte, daß ich seinen Tod wolle. Die sonst gewiß gefürchtete Auslieferung an den Raïs Effendina schien ihm jetzt die einzig mögliche Rettung zu bieten. Das war mir sehr lieb, denn nun brauchte ich ihm keine großen Versprechungen zu machen, um
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