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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wir den schönsten Sternenschein zu erwarten haben. Auch das Wasser leuchtet. Wir könnten recht wohl die ganze Nacht durchsegeln.“
    „Das tut kein erfahrener und vorsichtiger Raïs.“
    „O doch! Ich habe es selbst erlebt. Wir sind sehr oft im Mondschein oder wenn die Sterne am Himmel standen, während der Nacht unter Segel gewesen. Wenn du schon in Gizeh anlegen willst, war es ganz überflüssig, die Fahrt heute überhaupt zu beginnen. Ich möchte nicht, daß du anlegst, und du weißt, daß jeder verständige Raïs sich nach den Wünschen der Passagiere richtet.“
    „Es gibt hierüber keine Vorschrift. Ich bin der Gebieter dieser Dahabiëh und handle ganz nach meinem Wohlgefallen.“
    „So mußt du gewärtig sein, daß ich deine Ungefälligkeit bekannt gebe und dann von den Franken, welche die besten Passagiere und Zahler sind, kein einziger wieder mit dir fährt.“
    „Sie mögen es bleiben lassen. Ich brauche sie nicht!“
    Er drehte sich um und ging fort. Damit war die Sache abgemacht. Das zeitige Anlegen in Gizeh mußte einen besonderen Grund haben, die Folge einer ganz bestimmten Absicht sein, welche jedenfalls mit der Anwesenheit meines Gespenstes Nummer Drei zusammenhing. Es sollte etwas vor sich gehen, was man nicht aufschieben, sondern noch in der Nähe von Kairo geschehen lassen wollte. Was aber konnte das sein? Rache an mir nehmen? Die beiden Neger entführen? Mir die Unterschriften Abd el Baraks entreißen? Wahrscheinlich waren die drei Vermutungen sämtlich richtig, da diese Punkte in innigem Zusammenhang miteinander standen.
    Was Gizeh betrifft, so ist es der Landungsplatz aller Reisenden, welche von Kairo aus die Pyramiden besuchen, welche in einer Entfernung von acht Kilometern liegen. Zur Zeit der Überschwemmung, während welcher man auf den sich aus dem Wasser erhebenden Dämmen einen bedeutenden Umweg zu machen hat, beträgt diese Entfernung fast das Doppelte. Der Ort ist wegen seiner künstlichen Brutöfen bekannt, und es führt da eine eiserne Drehbrücke über den Nil. Gegenüber der Insel Roda liegt der Haremsgarten und der Park des Selamlik. Sonst gibt es nur verfallene Bazars und Ruinen alter Landhäuser der Mameluken, auch einige Cafés, welche aber der Fuß des Europäers nur ungern betritt. Gizeh konnte mir also gar nichts bieten, und darum nahm ich mir vor, nicht am Land zu übernachten, sondern an Bord zu bleiben. Aber ich hatte Grund, mich zu verstellen und so tun, als ob ich das Segelboot verlassen wollte. Darum warf ich, als die Dahabiëh am Ufer befestigt worden war, meinen Haïk über, nahm die beiden Neger bei den Händen und gab mir den Anschein, als ob ich aufzubrechen beabsichtige. Da kam der Raïs schnell herbei und fragte:
    „Was hast du vor? Willst du etwa aussteigen, Effendi, um während der Nacht in Gizeh zu schlafen?“
    „Ja.“
    „Du wirst kein Nachtlager finden!“
    „Warum nicht? Man wird mich, da ich gut bezahle, gern in jedem Haus aufnehmen.“
    „Aber wir werden sehr zeitig absegeln, und wenn du das verschläfst, so bleibst du hier sitzen!“
    „Das ist unmöglich, denn ich werde dich benachrichtigen lassen, wo ich mich befinde, so daß du mich holen lassen kannst.“
    „Holen lassen kann ich dich nicht. Ich muß mich nach dem Morgenwind richten und sofort absegeln, wenn er zu wehen beginnt.“
    „Mir vorher einen Boten zu senden, das würde doch nur eine Versäumnis von wenigen Minuten nach sich ziehen!“
    „Selbst diese wenigen darf ich nicht versäumen.“
    „Warum bist du plötzlich so eilig, während du hier angelegt hast, obgleich du weitersegeln konntest?“
    „Ich bin Raïs und brauche dir meine Gründe nicht mitzuteilen. Wenn du gehen willst, so gehe; aber ich werde dich nicht rufen lassen. Wenn ich sehe, daß die Sterne hell genug scheinen, werde ich sogar noch vor Mitternacht abfahren. Dann magst du zusehen, ob du uns einzuholen vermagst.“
    „So muß ich mich in deinen Willen fügen und hier bleiben. Allah vergelte dir die Freundlichkeit, mit welcher du deine Passagiere behandelst!“
    Ich sagte das in unwilligem Ton und zeigte dabei absichtlich ein missvergnügtes Gesicht. Über das seinige aber glitt eine sichtbare Genugtuung, welche zu bemerken ich mir jedoch nicht den Anschein gab. Ich hatte meinen Zweck erreicht und wußte nun, woran ich war. Ich sollte nicht von Bord gehen; man beabsichtigte also das, was man gegen mich vorhatte, in dieser Nacht auszuführen. Das war mir lieb. Wenn gleich hier der Handel zu Ende ging, hatte

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