27 - Im Lande des Mahdi I
ich nicht für längere Zeit in Ungewißheit zu schweben.
Die Matrosen bekamen die Freiheit gewährt, welche mir versagt wurde; sie durften an das Land gehen. Ich beobachtete ihre Entfernung; sie gingen alle, und nur drei Personen blieben zurück, nämlich der Raïs, der Steuermann und der famose Kajütendiener mit der Karfunkelnase. Ich konnte mir sehr wohl denken, weshalb es den Leuten erlaubt worden war, von Bord zu gehen. Man wollte sich aller unnötigen Zeugen entledigen.
Bald kam der Diener zu mir in die Kajüte, um mich zu fragen, ob ich irgendeinen Wunsch habe. Ich verlangte Wasser und eine Lampe, um immer Feuer für die Pfeife zu haben. Er brachte mir beides, und bei dieser Gelegenheit bemerkte ich ihm so nebenbei, daß ich mich unwohl fühle und infolgedessen die Kajüte nicht verlassen werde. Dabei zog ich meine Brieftasche aus der Jacke, öffnete sie so beiläufig und ließ sehen, daß sie Papiere enthielt. Das tat ich, um die Sache abzukürzen und die guten Leute auf den Leim gehen zu lassen. Daß ich das Richtige gedacht und getroffen hatte, erfuhr ich sofort, denn der Mann antwortete mir in freundlich besorgtem Ton:
„Das machest du recht, Effendi. Bleibe in der Kajüte. Die Nachtluft ist für den Fremden äußerst schädlich, und schon mancher hat sich eine unheilbare Augenentzündung geholt, weil er abends im Freien geblieben ist. Schone also das Licht deiner Augen! Wirst du heute meiner noch einmal bedürfen?“
„Nein. Ich speise jetzt einige Datteln, rauche noch zwei Pfeifen und lege mich dann zur Ruhe.“
„So will ich gehen, um dich nicht zu stören. Deine Nacht sei glücklich!“
Er machte mir eine Verbeugung, wenn auch keinen so halsbrecherischen Katzenbuckel wie der lange Haushofmeister meines dicken Türken, und entfernte sich, wobei er die Strohmatte herabließ, um meine Koje gegen das Deck hin zu verschließen. Kaum hatte er das getan, so blies ich die Tonlampe aus, um den Raum zu verdunkeln, damit ich nicht gesehen werden könne, hob die Matte ein wenig empor und blickte ihm nach. Ich ahnte nämlich, daß er die anderen Biedermänner sofort von dem, was ich gesagt hatte, benachrichtigen werde.
Es brannte auf dem ganzen Deck kein Licht. Das Heer der Sterne war noch nicht erschienen; nur einzelne Vorboten desselben standen am Himmel und vermochten nicht, das gegenwärtige Dunkel zu lichten. Meine geübten Augen waren wohl schärfer als diejenigen der Araber. Ich sah den Diener nach der Mitte des Schiffes gehen, kroch unter der Matte hinaus und folgte ihm nach. Zwar konnte ich nicht so weit sehen, aber ich hatte bemerkt, daß dort mehrere große, in Bastmatten gehüllte Tabaksballen standen, welche wohl nach dem Süden bestimmt waren. Dorthin kroch ich auf den Händen und Knien so rasch wie möglich. Meine Voraussetzung bewährte sich, denn als ich in die Nähe kam, hörte ich sprechen. Rechts an die Ballen gelehnt, saß ein Mann; ein anderer stand neben ihm. Ich schob mich also nach links hinüber und legte mich lang und eng an die andere Seite der Tabakskolli. Dabei hörte ich, daß der eine zu dem andern sagte:
„Warte noch! Man soll eine Sache nicht zweimal erwähnen, wenn man sie nur einmal zu sagen braucht. Der Raïs wird gleich zurückkommen.“
„Wo ist er?“
„Am Ufer, um dort die Laterne zu befestigen, damit der Muza'bir (Gaukler) sich zurechtfinden kann, wenn er kommt.“
Diese beiden Männer waren der Steuermann und mein Kajütendiener. Also es wurde am Land eine Laterne als Zeichen angesteckt, und zwar für einen Gaukler. Wozu dieser Kerl? War er aus Gizeh oder aus Kairo? Kam er meinetwegen oder um die Fahrt mitzumachen und das Schiffsvolk zu belustigen? Solchen Leuten pflegt man als Bezahlung ihrer Kunststücke das Passagiergeld zu schenken.
Da ich am Boden lag und der Rand des Decks beinahe Brusthöhe hatte, konnte ich das Ufer und also auch die Laterne nicht sehen; dafür aber meinte der Diener, welcher aufrecht stand:
„Jetzt brennt sie. Er hat eine Stange in die Erde gesteckt und sie daran befestigt. Nun wird er zurückkehren.“
Ich lag nach der Fluß- und der Raïs mußte von der Landseite das Schiff betreten; darum durfte ich hoffen, von ihm nicht bemerkt zu werden. Ich befand mich ungefähr in der Lage eines Indianer beschleichenden Präriejägers. Nun, darin hatte ich leidliche Übung, und so war ich überzeugt, irgend etwas Wichtiges zu erfahren.
Jetzt kam der Raïs an Bord und quer über das Deck gegangen. Er wurde mit einem „Pst!“
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