27 - Im Lande des Mahdi I
(Raubkarawane) vernichtet haben; es ist Ihnen nicht ein einziger der Imoscharh oder Tuareg entkommen.“
„Ich war ja nicht allein!“
„Ein Engländer und zwei Diener waren mit Ihnen; das ist alles. Ich mußte später in Geschäften zu Latréaumont, und er hat mir die Geschichte ausführlich erzählt. Effendi, wo kommen Sie jetzt her?“
„Vom Bir Haldeh im Gebiet der Uelad Ali.“
„Und wo wollen sie hin?“
„Nach Hause.“
„Nach Deutschland? Werden Sie dort erwartet, oder haben sie dort notwendige Geschäfte? Ein Effendi wie Sie kann aber doch keine Geschäfte haben!“
Er erwartete meine Antwort mit dem Ausdruck großer, offen gezeigter Spannung im Gesicht.
„Nun. Geschäfte habe ich freilich nicht, und gerade mit Ungeduld erwartet mich auch niemand.“
„So bleiben Sie hier; bleiben Sie, und reisen Sie mit mir!“
„Wohin?“
„Nach dem Sudan, nach Khartum.“
Welches Anerbieten! Eine Reise da hinauf wäre die Erfüllung meines sehnlichsten Wunsches gewesen, aber leider konnte ich keine andern Bescheid geben als:
„Ich kann nicht; es ist mir unmöglich, zu bleiben; ich muß heim.“
„Warum aber, da weder ein Geschäft noch ein Mensch sie ruft?“
„Dieser hier treibt mich fort“, antwortete ich, indem ich auf die Tasche schlug und den Lederbeutel zog, um ihm denselben vor der Nase zu schütteln. „Soll ich Ihnen die Krankheit, an welcher diese Börse leidet, türkisch oder arabisch nennen? Es ist die Sill, die Zajyflanmal (Schwindsucht), ein Übel, welches nur in der Heimat geheilt werden kann. Das heißt mit anderen Worten, daß mein Geld nur noch zu einem kurzen Kamelritt nach Suez und dann zur schleunigen Heimkehr reicht.“
Ich erwartete natürlich ganz bestimmt, daß er nun die Angelegenheit auf sich beruhen lassen werde, hatte mich aber geirrt, denn er meinte:
„Oh, Ihnen kann es nicht am Geld fehlen. Wenn Sie zur Bank von Ägypten in der Muski, zu Oppenheim und Compagnie in der Esbekijeh oder zu Tod, Rathbone und Compagnie am Rosette-Garten gehen, so bekommen sie sofort, was sie verlangen. Ich kenne diese Leute.“
„Aber sie kennen mich nicht!“
„So gebe ich Ihnen ein Kiaghat (Zettel, Anweisung) mit!“
„Ich danke! Ich borge nicht. Ich bin nicht so reich wie Sie und kann nicht weiter reisen, als meine Kasse reicht.“
„Sie wollen also wirklich nicht?“
„Nein.“
„Schade, jammerschade!“ meinte er, indem sein Gesicht den Ausdruck des aufrichtigsten Bedauerns zeigte. „Sie wären der Mann gewesen, den ich brauchen könnte. Ich freute mich, als ich Sie sah, und nahm mir sofort vor, wenn Sie nichts anderes vorhätten, um Ihre Begleitung zu bitten.“
„Sie hätten mich brauchen können?“
„Ja.“
„Wozu?“
„Allah! Das fragen Sie noch? Ich will nach Khartum, um meine Schwester ihrem Nischanly (Bräutigam) zuzuführen. Sie hat einige Dienerinnen bei sich, und ich muß mir Leute mieten, auf welche ich mich verlassen kann. Denken sie, die lange und gefährliche Fahrt auf dem Nil und die halbwilden Araberstämme, durch deren Gebiet wir kommen! Ein Mann wie Sie, der es mit der Gum, mit einer ganzen Schar blutgieriger Tuareg aufgenommen hat, der fürchtet sich nicht. Haben Sie die Gewehre mit, welche Sie damals bei sich hatten?“
„Ja.“
„Nun, so überlegen Sie es sich! Die Reise soll Ihnen keinen Para kosten; ich werde für alles sorgen. Bezahlung, wie einen Diener, darf ich Ihnen freilich nicht bieten; aber ich werde da oben Geschäfte machen, gute Geschäfte, welche viel Geld einbringen, und wir wollen beraten, welchen Teil des Gewinnes Sie erhalten sollen.“
Das war ein Wort! Ich gestehe aufrichtig, daß ich am liebsten gleich ja gesagt hätte, doch erkundigte ich mich:
„Welche Geschäfte sind es, die Sie im Sinn haben?“
Er zwinkerte mit den Augen, und sein Gesicht nahm einen so listigen Ausdruck an, wie ich ihm gar nicht zugetraut hätte.
„Können Sie sich das nicht denken?“
„Nein.“
„Etwa Reqiq machen?“
Er blickte mir mit gespannter Erwartung in das Gesicht. Reqiq heißt Sklaven. Ich antwortete schnell:
„Dazu würde ich meine Hand niemals bieten; ich bin ein Christ! Übrigens sind die Sklavenjagden vom Khedive jetzt verboten.“
Sein Gesicht nahm den früheren unbefangenen Ausdruck an, als er antwortete:
„Ein professionierter Sklavenjäger fragt nicht nach dem Verbot des Khediven; aber ich bin keiner und kann auch gar nicht die Absicht haben, Neger zu fangen. Ich habe vielmehr mein Augenmerk auf
Weitere Kostenlose Bücher