27 - Im Lande des Mahdi I
viele Zimmer es hier gibt, oben und unten! Wer soll sie alle in Gebrauch nehmen!“
Er hatte türkisch gesprochen, der Haushofmeister, welcher seitwärts von uns stand, verbeugte sich zustimmend und sagte arabisch:
„Richtig, sehr richtig!“
Aber was für eine Verbeugung war das! Ich hatte noch nie eine solche gesehen und werde auch niemals wieder eine zu sehen bekommen, denn ein Haushofmeister Selim existiert nur einmal auf dieser Erde. Als er den Oberleib senkte, geschah das so plötzlich und mit solcher Gewalt, daß es schien, als ob derselbe von der Stellage der langen Beine ab- und zu Boden geschleudert werden solle. Dabei wackelte jedes Glied an dem Menschen. Er glich einer Espe oder Zitterpappel, durch deren Zweige und Blätter ein plötzlicher, starker Windstoß fährt. Dabei wurde der lange Kaftan in einer ganz eigenartigen, unbeschreiblichen Weise bewegt, ungefähr wie im Theater auf der Bühne das Tuch, mit dessen Hilfe die Wellenbewegung des Meeres dargestellt wird. Es war, als habe jede Rippe, jeder einzelne Knochen dieses Mannes sich aus dem Körperverband gelöst und schieße nun auf eigene Rechnung allerlei Sprünge und Purzelbäume, welcher ausgelassenen Bewegung die Betreffenden Stellen des Kaftans zu folgen hatten.
„Jetzt werde ich Ihnen auch den Garten zeigen“, fuhr der Türke fort. „Kommen Sie!“
Wir schritten über den Hof hinüber. Hinter mir hörte ich abermals ein „Richtig, sehr richtig!“ und als ich mich umblickte, sah ich Selim in einer zweiten Verbeugung begriffen, welche so tief war, daß sein Leib mit den Beinen eine spitzen Winkel von sechzig Grad bildete.
Auf der anderen Seite des Hofes führte eine mit keiner Tür versehene Maueröffnung in den Garten, der sehr groß war, natürlich im Verhältnis zu dem Umstand, daß er mitten in der Stadt lag. Die drei anderen Seiten waren von einer doppelt mannshohen Mauer umgeben, welche an einigen Stellen altersschwache Breschen zeigten. Aber Grasplätze oder gar Blumen gab es nicht, sondern nur eine einzige Wildnis von allerlei Unkraut und Giftpflanzen, ein Bild des Orients, wie es treffender gar nicht sein konnte.
„Das zeige ich Ihnen, damit Sie sich orientieren“, meinte Nassyr. „Nun sollen sie Ihre Zimmer sehen.“
Wir kehrten in den Hof zurück. Dort stand Selim, auf uns wartend, noch immer an derselben Stelle und führte, als wir an ihm vorüberschritten, eine so waghalsige Verbeugung aus, daß mich die ernstliche Besorgnis überlief, seine überschlanke Taille werde sich aus den Hüfte drehen. Dann folgte er uns mit würdevollen Schritten, um uns die erste Tür des Parterres zu öffnen, wobei er sich wieder so tief verneigte, daß die Spitze seiner Nase fast den Boden berührte.
Wir betraten eine Art Vorzimmer, welches mit einem großen Palmenfaserteppich belegt war. Die Wände waren, wie auch die Decke, weiß getüncht. Von hier aus kamen wir in einen zweiten größeren Raum, welcher jedenfalls als Empfangszimmer benutzt worden war. Rundum waren rotsamtene Kissen gelegt; ein Smyrnateppich bedeckte den Boden, und an den Wänden sah ich Koransprüche, in Gold auf blauen Grund gemalt. Das nächste Zimmer war zum Schlafen bestimmt. Von der Mitte der Decke hing eine farbige Glasampel herab. In der einen Ecke lag ein kostbarer Gebetsteppich; in der anderen stand der Waschapparat, welcher, wie ich später sah, aus echt chinesischen Porzellangefäßen bestand, und gegenüber befand sich das Bett, ein niedriges Gestell, mit mehreren hohen, weichen Kissen belegt, auf welchen einige mit Seide überzogene Decken ausgebreitet waren.
Dann gelangten wir in ein kleines Gemach, welches als Herrenzimmer eingerichtet war. An der einen Wand hing eine ganze Pfeifensammlung; in einer Nische standen Nargilehs und kupferne Tabaksgefäße, und eine zweite Nische war als Bücherschrank eingerichtet. Die Bücher lagen noch auf den Brettern. Ich sah zwei geschriebene Korans und noch eine Anzahl anderer frommer Werke. Der Besitzer mußte ein sehr unterrichteter und zugleich gläubiger Moslem gewesen sein.
Eine Tür führte weiter, wir öffneten dieselbe aber nicht, sondern Nassyr erklärte:
„Nun kommen die Räume, welche ich bewohne; diejenigen, welche Sie bis jetzt gesehen haben, sind für Sie bestimmt. Wollen Sie hier wohnen?“
„Ich bin bereit dazu, doch nur unter einer Bedingung.“
„Welche könnte das sein?“
„Mein Einzug in diese Räume darf mich nicht etwa verpflichten, Ihr Reisebegleiter zu werden.“
„Zugestanden,
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