27 - Im Lande des Mahdi I
nicht, sondern schickte den Wirt. Der Dicke hatte für die Flasche Bier sieben Piaster, also über zwölf Groschen zu bezahlen; er murrte aber nicht über diesen Preis, sondern ließ dem Knaben noch einen Piaster Bakschisch einhändigen. Er schien ein Liebhaber des deutschen Gerstensaftes zu sein und meinte, daß wir dann, wenn ich die Wohnung angesehen hätte, wieder nach hier zurückkehren könnten.
Unterwegs erfuhr ich, daß er seine ganze freie Zeit in diesem Bierhaus zuzubringen pflegte, weil das Getränk ein ausgezeichnetes und der Verkehr vor dem Haus ein sehr unterhaltender sei. Die Straße verbreiterte sich nämlich dort auf eine kurze Strecke, was zur Folge hatte, daß der echt orientalisch laute Handel und Wandel sich besser entwickeln konnte. Man hatte von dem Bierhaus aus einen sehr interessanten Blick auf das Treiben der bunten Masse; das mochte Murad Nassyr angezogen haben.
Wir kamen in die Gasse, in welcher er wohnte. Es war eine Sackgasse, wie es deren viele in Kairo gibt. Die Häuser derselben sahen gar nicht sehr einladend aus, was aber keineswegs auf das Innere schließen ließ. Es gibt Gebäude, welche auf der Straßenseite fast Ruinen gleichen und im Innern wahre Paläste sind. Der Orientale verheimlicht, ganz im Gegensatz zu dem Abendländer, alles, was sich auf seine Häuslichkeit und sein Familienleben bezieht. Das mag seine guten Seiten haben, läßt aber keine Entwicklung, keinen bürgerlichen Zusammenhalt, kein gesellschaftliches Vorwärtsstreben aufkommen.
Viele Häuser waren ganz fensterlos. Wo es aber Fenster gab, da waren sie ganz unregelmäßig und scheinbar gedankenlos angebracht und dazu mit dicken Holzgittern versehen. Lange Fensterreihen mit blinkenden Glasscheiben, welche dem Außenlicht freien Zutritt gewähren, darf man im Orient nicht suchen. Eine solche Fülle des Lichtes würde höchst störend wirken.
Das Gebäude, welches die Gasse abschloß, also querüber stand, war dasjenige, in welchem der Türke sich eingemietet hatte, die Tür war zwar sehr hoch, aber schmal. Ein Reiter konnte hindurch, mußte aber die Füße eng an den Leib des Pferdes legen, um nicht rechts und links anzustreifen. Sie war verschlossen; neben derselben hing an einer Schnur ein hölzerner Hammer, mit welchem Nassyr klopfte.
Erst nach längerer Zeit wurde geöffnet, und zwar von einem Menschen, über dessen Gestalt ich beinahe in Schreck geraten wäre. Indem er so vor mir unter der Tür stand und mich mit neugierigen Augen musterte, war er um mehr als einen Kopf länger als ich; aber um so schmaler war sein Körper. Seine Brust war nur anderthalb Spannen breit; aber aus jedem Arm hätte ich, die Länge derselben gerechnet, zwei für mich machen können. In diesem Verhältnis war sein Leib, war jedes Glied und auch das Gesicht gestaltet, lang, ewig lang, aber erschreckend schmal. Seine Nase war wenigstens sechs Zoll lang und dabei so scharf, daß man sie als Schnitzmesser hätte gebrauchen können. Das Gesicht war glatt rasiert. Auf dem Kopf saß ein Turban von einer solchen Breite, wie ich sie selbst bei den Kurden, welche doch bekanntlich die breitesten Turbane tragen, nicht gesehen hatte. Vom Hals bis nach ganz unten, so daß man die Füße nicht sehen konnte, hing ein hemdartiger Talar von weißer Farbe herab; aber was für ein Weiß!
„Dieser Mann ist Selim, mein Haushofmeister“, sagte der Türke, indem er den langen, gespensterähnlichen Kerl zurück- und mich demselben nachschob.
Wir traten ein, und der geisterhafte Selim verriegelte die Tür hinter uns. Wir befanden uns in einem engen Hauseingang, aber nicht in der Mitte, sondern auf der rechten Seite des Parterres, da die Tür auf derselben angebracht war. Sämtliche Räume lagen also links von uns. Zunächst führte Nassyr mich hinaus in den Hof, dessen Einrichtung eine wirklich kostbare gewesen, jetzt aber verfallen war. Wir gingen auf Marmor. In der Mitte des Hofes befand sich ein Bassin aus demselben Stoff, aber ohne Wasser. Die vier Seiten wurden von dem Gebäude gebildet, welches den Hof rundum einschloß. Da standen ringsum Säulen, welche das obere Geschoß trugen und zwischen oder hinter denen ich die Türen sah, welche in die Gemächer führten. Der Türke machte eine kreisförmige Bewegung mit der ausgestreckten Hand und sagte:
„Da liegt rings die ganze frühere Herrlichkeit. Hier hat es einen köstlichen Springbrunnen gegeben, welcher Kühle spendete, sich aber längst nicht mehr in Tätigkeit befindet. Denken Sie, wie
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