2727 – Am Gravo-Abgrund
Antwort.
Zu allem Überfluss wurde es bis auf die zuckenden Blitze immer dunkler, sodass Khelay mehr und mehr auf seine Ohren vertrauen musste, die jedes noch so leise Geräusch auffingen.
Es knackte, sirrte und knisterte, als hätte er sich in einen riesigen Insektenhaufen verirrt, der darauf wartete, ihm die Haut von den Knochen zu fressen. Wenn die Energieversorgung des Geflechts sich explosionsartig ausbreiten würde, wäre das sein Ende. In Gedanken sah er sich gegrillt am Boden inmitten der geometrischen Maschinen liegen. Ein schwarzbunter Fleck, rauchend und stinkend inmitten von maschinellem Chaos.
»Mit dem Gammablitz! Wo bist du?« Er hetzte weiter und erkannte das Bündel Wesen, das wie ein Häufchen Elend an einer Würfelwand kauerte.
Zumindest gab es in diesem Teil des Priorats keine Entladungen. Es war eine sichere Insel in einem Meer aus zuckenden Lichtern.
Khelay stapfte auf den Tolocesten zu, doch der hob nicht einmal den Hängekopf.
»Mit dem Gammablitz, rede mit mir! Was ist passiert? Wie schwer ist das Transpositorium beschädigt?«
Der Toloceste ignorierte ihn. Khelay riss ihn an den Unterarmen auf die kurzen Beine. »Nimm dich zusammen! Ich brauche Antworten.«
Die Sehflecken glänzten matt im schwach leuchtenden Gesicht. Aus dem Kommunikationsgerät in der Brust kam ein dumpfer Laut. »Zu spät. Der Morgen erlischt.«
»Was soll das heißen – zu spät? Ihr müsst etwas tun können! Habt ihr nicht sonst immer alles unter Kontrolle? Was ist mit Redundanzsystemen? Haltet Luna an!«
Mit dem Gammablitz wackelte betrübt mit dem Leuchtschädel. »Der Stab ist zerbrochen. Die Melodien sind verstummt. Der Chor schweigt.«
»Ihr habt die Kontrolle verloren, oder? Wie schlimm ist es?« Khelay sah sich um. Verbrannte Würfel. Energetische Entladungen auf den Holos und an einigen Stellen der Decke. »Es sind schwere Schäden. Aber warum? Was ist passiert?«
Der Boden erbebte. Khelay ließ Mit dem Gammablitz los. »War das wieder ein Zug? Wie viele Züge haben wir inzwischen gemacht?«
Der Toloceste wich vor ihm zurück. Er hob vier der langen Finger. Die Ränder an den Mündern sahen bleich aus wie tote Haut.
Khelay griff sich an den Kopf. Sein Emot brannte, als wäre es mit Säure benetzt. »Vier meinst du? Vier unkontrollierte Züge?« Er gab die Werte in sein Armbandgerät ein und startete eine Analyse. Das Ergebnis schockierte ihn. Die vier Züge waren klar an Mondstößen auszumachen. Mondstößen, die in ihrer Intensität exponentiell zunahmen.
Unter ihm grollte es. Khelay war kein Wissenschaftler, aber er konnte eins und eins zusammenzählen. Wenn die Züge nicht aufhörten, gefährdete das die innere Struktur des Mondes.
Khelay packte den Tolocesten an den Schultern, dass der zusammenfuhr. »Tu etwas! Meine Heimat zerbricht!«
Auf dem Gesicht des Tolocesten lag ein schwarzes Sekret, das Khelay zum ersten Mal sah.
»Der Dirigent kann nicht singen.«
»Was hat das ausgelöst?« Khelay schrie. Der Geruch von Feuer breitete sich um ihn aus, stärker noch als der Gestank nach Verschmortem. Es war ihm egal. Niemand hörte und roch ihn, außer Mit dem Gammablitz.
Der Toloceste zitterte. Die Münder zwischen seinen Fingern schnappten auf und zu wie die Mäuler erstickender Fische. »Irritation. Das Lied ist verklungen. Das Licht verblasst. Fremde Stimmen.«
»Fremde Stimmen? Ein Angriff? Es war der Widerstand, oder? Diese verfluchten Parasiten! Sie greifen uns an.«
Der nächste Mondstoß kam. Er war so stark, dass er Khelay von den Füßen riss.
*
Obwohl die Gefahr, vom Securistent entdeckt zu werden, dadurch anstieg, stellte Pri erneut eine direkte Funkverbindung in NATHANS Privatgemächer her. Die Bilder Luna Citys, die er in den letzten Sekunden über die Holos gesehen hatte, brannten auf ihrer Netzhaut.
»Verdammt, Kemeny! Schaltet den Irritator ab!«
»Pri ... Er ist abgeschaltet. Wir haben keinen Einfluss mehr!«
»Was soll das heißen?«
»Wir springen unkontrolliert.«
Pri starrte auf die Trivid-Aufnahmen, die über die Luna News hereinkamen. Eine Datenkolonne zeigte den kontinuierlichen Anstieg der Gravophänomene und der Mondstöße. In grausamer Nüchternheit zeichnete sich darauf der Untergang ab. Noch eine Stunde oder zwei, dann war es vorüber. »Luna zerbricht!«
»Nein, Pri. Es wird enden. Es ist furchtbar, aber es wird enden.« Kemenys Gesichtshaut war bleich. Schweißtröpfchen benetzten seine Stirn.
»Woher willst du das wissen? Verrennst du dich
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