275 - Licht und Schatten
Boot.
Die Fischer erstarrten in ihren Bewegungen, fielen um und blieben reglos liegen! Noch mehr Schatten sprangen ins Fischerboot, das Fahrt aufnahm und den Strand ansteuerte, ohne dass irgendjemand das Ruder in die Hand nahm.
Der Daa'mure widerstand dem Impuls, loszulaufen und die rätselhaften Fremden näher in Augenschein zu nehmen. Sein Instinkt warnte ihn: Was dort vorging, konnte selbst für ihn zur Gefahr werden. Grao erhob sich und wartete ab, was weiter geschah. Auf den Gedanken, das Dorf zu warnen, kam er nicht.
Das Ruderboot erreichte den Strand, die Schattenartigen - es waren mehrere Männer und eine Frau in altertümlicher Kleidung - stiegen aus und überquerten den Strand. Sie schwebten mehr, als dass sie gingen.
Von den Dünen her stürmten ihnen plötzlich drei Jungkrieger von den Dreizehn Inseln entgegen. Offenbar hatte man das Schiff von der Klippe aus bemerkt.
Grao'sil'aana sah den Kampf voraus. Er machte sich zum Eingreifen bereit, doch irgendetwas warnte ihn, raunte ihm zu: Bleib wo du bist, misch dich nicht ein!
In weniger als zwei Atemzügen hatten die Schattenartigen die drei Jungkrieger in eine Art Stein verwandelt. Grao'sil'aana bedauerte die drei Burschen - sein messerscharfer Verstand und seine Intuition jedoch verboten ihm auch jetzt noch, etwas gegen die Schattenartigen zu unternehmen. Ihre Beschaffenheit und ihre Art zu töten entsprach rein gar nichts, das er jemals kennengelernt hatte - und sein Geist weilte immerhin schon seit einem halben Jahrtausend auf diesem Planeten! Er musste sie erst studieren, ihr Verhalten genau analysieren.
Doch es blieb keine Zeit, sie länger zu beobachten: Sie wandten sich in Richtung der Dünen, stiegen zu deren Kamm hinauf und verschwanden dahinter. Wo, nicht weit entfernt, die Siedlung lag. Und in der Siedlung lebte Bahafaa.
Bahafaa…
Etwas, das sich wie ein heftiger Stich mit einer heißen Nadel anfühlte, bohrte sich durch Grao'sil'aanas Brust. Ein Nervenreiz? Eine Einbildung?
Er wartete, bis alle acht Schatten hinter dem Dünenkamm verschwunden waren. Dann formte er seine Echsengestalt wieder in die des stämmigen Hermon um und folgte ihnen.
Er schlug einen Bogen um den Weg, den die Schattenartigen nahmen, war schnell genug, um vor ihnen die Siedlung zu erreichen.
Das Dorf war verlassen. Er durchsuchte einige Hütten und Ställe, doch er fand niemanden. Wo steckte Bahafaa? Er rief ihren Namen hinaus, sah sich um, dachte nach.
In der Festung!
Natürlich: Wenn jemand die Schattenartigen an Land hatte gehen sehen und die Bewohner der Siedlung gewarnt hatte, waren sie in die Festung der Königin geflüchtet.
Eine vernünftige Entscheidung. Vorerst. Doch niemand konnte wissen, ob sie in der Festung wirklich sicher vor diesen rätselhaften Angreifern sein würden.
Vom westlichen Rand der Siedlung aus spähte Grao'sil'aana zu den Dünen vor dem Strand. Die Schattenartigen waren im Anmarsch! Nicht mehr lange und sie würden die ersten Häuser am Dorfrand erreichen.
Grao'sil'aana machte sich auf den Weg zur Festung.
***
Zielstrebig hielten sie auf die Siedlung zu, Maxim an der Spitze, hinter ihm der Raubmörder Miguel Nuenzo und El Cánido. Bartolomé de Quintanilla blieb am Ende des tödlichen Kommandos, dicht hinter Alejandro de Javier und der Hure Garota. Er fürchtete sich vor dem Augenblick, in dem Es seinen Widerwillen erkannte und ihn zur Strafe in vorderste Front schickte, und so vertuschte er seine Gedanken durch inbrünstiges Beten.
Sie erreichten das Lager, gingen von Hütte zu Hütte, drangen in die Behausungen ein, durchsuchten auch die Ställe. Sie fanden niemanden, nicht einmal ein Tier. Mutters Befehl hallte durch Bartolomés Geist: Folgt ihnen und greift sie an! Nehmt ihnen die Lebenskraft! Haltet euch vor allem an die, welche den Glanz abstrahlen!
Sie verließen die Siedlung, folgten den Spuren der Lebendigen einen Weg entlang, der auf eine trutzige Feste zuführte. Hatten sich die Lebenden dort versteckt? Mauern würden kein Hindernis sein, solange die Schatten hungrig waren und die Lebensenergie sie nicht zu stofflich gemacht hatte.
Niemals wieder wollte Bartolomé de Quintanilla einen unschuldigen Menschen versteinern; allein die Vorstellung, diese Sünde zu begehen, lastete schwer auf ihm. Lieber wollte er im Fegefeuer schmoren, als Gott und seinen Glauben noch einmal zu verraten. Doch was sollte er denn tun, wie sollte er sich wehren gegen die übermächtige Geisteskraft des entsetzlichen Dämons?
Er betete
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