Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
275 - Licht und Schatten

275 - Licht und Schatten

Titel: 275 - Licht und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
den anderen her. Die warteten nicht, schritten bereits den Dünen entgegen.
    Und da tauchten plötzlich Männer auf dem Dünenkamm auf, jung und groß und stark! Ihre langen Haare wehten in der Morgenbrise, das Licht des neuen Tages brach sich in ihren blanken Schwertklingen. Der an der Spitze wies zum Strand herunter, wo die Schatten eben die Brandung hinter sich ließen. Und dann stießen sie Kampfrufe aus, schüttelten Klingen und Speere in den Fäusten und sprangen die Dünen herab.
    Glaubten sie, eine Chance gegen die Macht des Dämons zu haben, nur weil ein Padre, ein schmächtiger Hundeführer und eine Frau unter den Schatten waren?
    Was immer sie dachten, sie täuschten sich.
    ... und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen ...
    Anders als die anderen hatte der Padre es nicht eilig, die Angreifer zu berühren. Er hielt sich im Hintergrund. Die jungen Burschen benahmen sich wie berauscht. Gleich zwei von ihnen stürzten sich auf Maxim, den sie wohl als größte Gefahr sahen, und ihr muskelbepackter Anführer ließ seine lange Klinge auf Miguel Nuenzo und El Cánido niedersausen.
    Und dann ihre Gesichter, als ihre Klingen keine blutigen Wunden rissen oder stachen, sondern durch Maxim, Nuenzo und El Cánido hindurchglitten wie durch Nebeldunst. Es waren die Gesichter dummer Jungen, die in Goldsäcke zu langen glaubten und unversehens in Kot griffen.
    Schon berührten Maxim, Miguel und El Cánido sie. Ihre Dumme-Jungen-Gesichter erstarrten zu Stein, so wie ihre muskulösen Arme, so wie ihre Herzen, ihre Lungen, ihr Blut… während ihre Seelen sich lösten und auf die Schatten übergingen. Nur ihre Kleidung, die Schwerter und Speere blieben, wie sie waren.
    Ein befriedigtes Seufzen berührte den Padre von irgendwo her. Mutter! Wie das Seufzen der Wollust fühlte es sich an, und der Mönch begriff: Einer der drei Dörfler hatte den Glanz an sich gehabt, nach dem Es so gierte!
    Schaudernd setzte Bartolomé einen Fuß vor den anderen. Die Versteinerten zogen seine Blicke an, wie jedes Mal. Nichts als Leere und Stein gähnte in ihren ehemals jungen Augen, als er an ihnen vorbei schritt.
    Sein Herz jedoch schien mehr als ein körperloser Schatten zu sein, mehr als eine Erinnerung an sein früheres Leben, denn es krampfte sich zusammen und er hatte große Mühe, seine Gedanken vor dem Dämon zu verbergen. So tief es eben ging, versenkte er sich ins Gebet.
    ... denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen ...
    ***
    Er lag in der Brandung, als die Sonne aufging. Nicht in der Gestalt eines Primärrassenvertreters, sondern als der, der er war - als Grao'sil'aana, der womöglich letzte Daa'mure auf Erden. Er war nackt; die Kleider des Händlers Hermon waren Teil seines gestaltwandlerischen Körpers gewesen. Sollte jemand ihn entdecken, würde er Grao'sil'aana vermutlich für ein großes mutiertes Reptil halten, das die Flut angeschwemmt hatte.
    Es war angenehm, allein zu sein. Es war erfrischend, die kühle Brandung zu spüren, wie sie über seinen schuppigen Leib perlte. Es war schön, sich vorzustellen, er wäre auf einem Planeten, der ausschließlich von Daa'muren bevölkert, der heiß und für die Primärrassenvertreter ganz und gar lebensfreundlich war. Grao'sil'aana stellte sich vor, die kühle Brandung wäre dampfende Lava.
    Diese Empfindungen waren nicht mehr fremd für Grao und doch immer wieder überraschend und neu. Weil sie seiner ursprünglichen, ontologisch-mentalen Substanz so sehr widersprachen.
    Er dachte an Daa'mur, den Heimatplaneten, den sein Volk vor Äonen von Jahren verlassen hatte, als seine beiden Sonnen langsam erkalteten.
    Ein Fischerboot fuhr hinaus. Die Umrisse des Segels schälten sich aus dem Morgendunst. Grao'sil'aana hob den schuppigen Schädel aus der Brandung und blinzelte kurz aufs Meer hinaus, dann ließ er sich wieder in Sand und Brandung fallen und träumte weiter. Und wie immer, wenn er seinen Gedanken keine Zügel anlegte, kreisten sie irgendwann um den einzigen Menschen dieses Planeten, zu dem er ein Gefühl der Vertrautheit entwickelt hatte, an das auch die Bindung zu Bahafaa nicht heranreichte: um Daa'tan. Wie schön wäre es doch, wenn sein Zögling jetzt bei ihm sein könnte…
    Fischer schrien plötzlich draußen auf dem Meer. Grao'sil'aana richtete sich in der Brandung auf, spähte zu den Männern hinaus. Ein großer Schatten wie von einem Segelschiff war hinter ihnen aufgetaucht, und kleinere Schatten sprangen in ihr

Weitere Kostenlose Bücher