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275 - Licht und Schatten

275 - Licht und Schatten

Titel: 275 - Licht und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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wieder Menschen, damit der Teufel leben konnte!
    Aber hatte er denn überhaupt ein Recht, sich zu beklagen? Hatte nicht auch er selbst, Bartolomé de Quintanilla, Lebenskraft geraubt, um weiter zu existieren? Hatte er nicht selbst, als der Hunger zu groß wurde, unschuldige Menschen versteinert auf der misslungenen Flucht vor Mutter ?
    Ja, das hatte er. Er hatte sich schuldig gemacht, wahrhaftig. Würde die Heilige Jungfrau ihm vergeben können? Würde er jemals wieder gutmachen können, was er gesündigt hatte?
    Die Karavelle glitt nach Osten, so lange schon. Die Küste im Süden hatte seit Tagen niemand mehr gesehen. Die Küste im Norden schälte sich in manchen Stunden aus dem Dunst. Und jetzt, in diesem Augenblick, erkannte der Padre ein paar Inseln. In Fahrtrichtung zeichneten sie sich am Horizont zwischen Himmel und Meer ab.
    Padre Bartolomé begann sich zu fürchten, denn dorthin wollte Es . Dort witterte Es den unerklärlich starken Glanz, für den es eine Vorliebe hatte, der so unvergleichlich satt machte. Wer mochte auf diesen Inseln leben?
    Wer auch immer - die Erinnerung an Angst und Erbarmen erfüllte Bartolomé de Quintanilla. Wieder verschloss er seinen Geist vor Mutter , versank er ins Gebet.
    ... wohlan denn, meine Fürsprecherin, wende deine barmherzigen Augen zu mir, sieh doch mein Elend und zeige mir den Weg zur tätigen Buße ...
    ***
    Grao'sil'aana hockte am Rande der Siedlung, sah die Sonne dem Horizont entgegensinken und grübelte. Wie der gemütliche Händler Hermon sah er aus, doch in seinem Herzen ging es ganz und gar nicht gemütlich zu.
    Manchmal stapften Fischer und Muschelsammler vorbei, die aus der Siedlung oder der nahen Festung aufgebrochen waren, um jenseits der Dünen nach Essbarem zu suchen. Sie grüßten ihn freundlich, und Hermon alias Grao'sil'aana grüßte zurück.
    Er beherrschte sie inzwischen recht gut, die Spielregeln der Primärrassenvertreter, und er wusste sich zu benehmen unter diesen freundlichen Kreaturen.
    Auch jener Primärrassenvertreter, den sie hier Maddrax nannten, kam vorbei, natürlich begleitet von der Barbarin Aruula, die sich ein Fell wie einen Mantel um die Schultern gehängt hatte. Sie wussten beide um seine geheime Identität. Trotzdem grüßten auch sie ihn - der Sohnesmörder freundlich, die Kriegerin zurückhaltend - und er grüßte zurück, ganz so, wie man es von dem Händler Hermon erwartete.
    Hand in Hand folgten sie den Fischern und Muschelsammlern zum westlichen Strand. Grao'sil'aana beobachtete sie, und heiß loderte die Flamme des Rachedurstes in seiner Brust auf. Würde denn dieses Gefühl sich niemals verlieren?
    Wenn ihn nichts an diese beiden erinnerte, dann dachte er auch nicht an Rache, dann wollte er weiter nichts, als in Ruhe unter diesen angenehmen Primärrassenvertretern hier zu leben, einer von ihnen und Bahafaas Gefährte zu sein.
    Kaum aber verirrten seine Gedanken sich zu Mefju'drex und seiner Barbarin - oder sie liefen ihm gar über den Weg -, dann regten sich Schmerz und Rachegelüste in ihm.
    So blieb Grao'sil'aana ständig hin und her gerissen zwischen seinem neu gewonnenen Leben als menschliches Individuum und seinem Daa'murenherz, das den Tod Daa'tans nicht verwinden konnte und nach Rache verlangte.
    Wie hatte er ihn geliebt, diesen eigensinnigen Jungen mit der Seele einer Pflanze! Wie hatte er sich gemüht, ihn zu erziehen und zu lehren! Welch unvergessliche Stunden hatten sie miteinander verbracht! Wie gern dachte er an die langen, gemeinsamen Wanderungen zurück, an die Reisen nach Australien und Afra.
    Mefju'drex hatte ihn einfach getötet. Und diese Barbarin hatte ihrem Sohn nicht beigestanden, ihn nicht beschützt. Bedeutete das nicht, dass sie Daa'tan ebenso gehasst hatte wie Mefju'drex?
    Grao'sil'aana bezwang die Hitze der Leidenschaft, die in ihm kochte; jedenfalls versuchte er es. Mefju'drex und sein Weib verschwanden zwischen den Dünen.
    »Wenn ich sie töte, bringe ich mich um meine neue Heimat«, murmelte er. Er machte sich nichts vor: Das Volk der Dreizehn Inseln würde ihn ausstoßen, wenn er seiner Rachelust freien Lauf ließe. Und schlimmer noch: Bahafaa würde ihn verlassen und er wäre wieder allein.
    Ohne auch nur einen Moment nachzudenken, hatte er Tage zuvor Mefju'drex vor dem Absturz in eine Eisspalte gerettet. Im Grunde hatte er es nicht für ihn getan; einzig und allein um die Wertschätzung der Kriegerinnen von den Dreizehn Inseln war es ihm gegangen - um Arjeela und Dykestraa und Tumaara vor

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