276 - Die Genesis des Arthur Crow
Frau!«
»Du musst es ja wissen…«
***
Aruula musste es wissen, ja, denn sie war ein Temperamentbündel, wie es im Buche stand. Eine Frau, die sich ihrer Haut zu wehren wusste - und noch dazu über die fantastische Gabe verfügte, in den Gedankenwelten anderer zu lauschen .
Er mochte ihr intellektuell überlegen sein, aber in der Welt, in der er seit über zehn Jahren lebte, spielte das nicht immer eine Rolle. Oft kam es viel mehr auf kreatürliche Kraft, Körperbeherrschung und Schnelligkeit im Handeln an. Allzu hehre Moralvorstellungen, aus dem beginnenden 21. Jahrhundert herübergerettet, entpuppten sich zu seinem Leidwesen häufig als Knüppel zwischen die Beine, als mehr hinderlich denn hilfreich also.
Dennoch bemühte sich Matthew Drax immer noch, erwähnte Moral nicht schleifen zu lassen. Auch wenn er gelernt hatte, sich möglichst gut den Verhältnissen anzupassen, die er vorgefunden hatte, wollte er seine ehernen Grundsätze, mit denen er aufgewachsen war, nicht von barbarischer Gewalt beiseite fegen lassen. Genau diese Wertmaßstäbe machten ihn aus. Als Person. Als Kämpfer. Als Gefährte.
So wie er Aruula mitsamt allen Eigenschaften akzeptiert und lieben gelernt hatte, hoffte… nein, wusste er, dass sie auch ihn akzeptierte und liebte.
Das Band zwischen ihnen war gewaltigen Belastungen ausgesetzt gewesen, aber nie gerissen. Seit sie sich auf einem Schneefeld in den Alpen gefunden hatten - er verletzt in seinem abgestürzten Jet, von blutrünstigen Taratzen umgeben, sie in Fellmantel und Lendenschurz, mit gezücktem Schwert - seit damals war ihrer beider Leben unzertrennlich miteinander verwoben.
Und auch jetzt sprach sie aus, was er gerade dachte.
»Die Taucher warten sicher schon auf uns. Lass uns zum Strand gehen.«
Er nickte. Eine ausgesuchte Mannschaft hatte die Suche nach dem verschollenen Stein aufgenommen; neben ihnen beiden der Händler Hermon alias Grao'sil'aana, vier junge Männer und eine Frau. Im Reich der Dreizehn Inseln übernahmen die Frauen die Jagd und die Verteidigung, während sich die Männer hauptsächlich der Feldarbeit und dem Fischfang widmeten. Die häuslichen Aufgaben übernahm man gemeinsam. Jedem einzelnen der Taucher hatten Grao, Aruula und er eingehämmert, dass sie den Stein nicht berühren durften, wenn sie ihn entdeckten.
Raagon, der die Sucher aus dem Dorf koordinierte, kam ihnen entgegen. Trotz bisheriger Erfolglosigkeit schien er seinen Elan nicht verloren zu haben. Raagon war jünger als Matt, wirkte aber mindestens um zehn Jahre älter. Seine Haut war wind- und wettergegerbt, sein Gesicht eine Landkarte der Leiden, die er im Laufe seines Lebens durchlaufen hatte. Die Dreizehn Inseln waren kein Schlaraffenland. Die Menschen hier mussten hart für ihr Dasein schuften und nicht selten über ihre Kräfte gehen, um sich gegen Natur, Krankheit oder Feinde von außen durchzusetzen.
Bislang hatten sie es geschafft, aber oft - zuletzt und besonders drastisch vor wenig mehr als achtunddreißig Stunden - nur mit einer gehörigen Portion Glück .
Ohne die auch ich nicht mehr am Leben wäre , dachte Matt realistisch.
Raagon langte bei ihnen an. Er zeigte zu der Gruppe hinter sich, die gerade dabei war, sich auf zwei Boote zu verteilen. Auch Grao in der Gestalt Hermons war darunter. »Wir sind bereit, die Suche fortzusetzen.«
Matt nickte. »Dann los.«
Sie bestiegen die Boote und legten ab. An der Stelle, an der unter Wasser die Seile gespannt waren, dümpelte eine Boje. Matt wünschte sich, sie hätten vorgestern eine dabeigehabt, um den Standpunkt der Karavelle zu markieren. Es war unglaublich schwierig, im offenen Meer einen bestimmten Punkt wiederzufinden, und er konnte nur hoffen, dass sie die Stelle einigermaßen gut getroffen hatten.
Ein knappes Viertel des eingezäunten Areals hatten sie schon abgesucht, bis heute Abend wollten sie die Hälfte geschafft haben. Die Taucher wechselten sich ab und schwammen mit kurzen Stangen über den Grund, wo sie in den Korallen und im Sand herumstocherten. Glücklicherweise war das Wasser hier nicht allzu tief; das Licht der Sonne reichte bis zum Boden hinab.
Vor allem für Matt und Aruula waren die Tauchgänge mühsam und kräfteraubend. Die Fischer hatten darin einige Übung und Grao musste sogar darauf achten, nicht zu lange unter Wasser zu bleiben, um keinen Verdacht zu erregen. Tauchanzüge und Sauerstoffflaschen gab es leider nicht.
Matt wünschte sich die Kiemen zurück, die die Hydriten ihm nach ihrer ersten
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