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276 - Die Genesis des Arthur Crow

276 - Die Genesis des Arthur Crow

Titel: 276 - Die Genesis des Arthur Crow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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anzubinden.
    Von all den Toten, die in den Konservierungswannen lagen und sich rein äußerlich nicht mehr verändert hatten, bewahrte er sämtliches Wissen in sich auf, das er ihnen jemals abgezapft hatte. Ihre Seelen waren erloschen, aber das Destillat ihrer Erfahrungen war sicher verwahrt gewesen im Koordinator… und er hatte es mit herübergerettet in seine neue Existenz.
    Kroow blieb vor einem der Becken stehen, die mit klarer Flüssigkeit gefüllt waren. In jeder Wanne schwamm ein Mensch. Die Flüssigkeit verhinderte, dass die Leichen verwesten. Und so sah auch das Gesicht, auf das er gerade hinabblickte, aus, als hätte es gerade erst die Augen geschlossen.
    Kelsos , rief Kroow mühelos den Namen des römischen Soldaten ab, der in Teilen seiner Rüstung bestattet worden war. Kelsos sah aus wie ein Greis, obwohl es ihn als Jüngling in die Station verschlagen und er hier nur wenige Erdenjahre verbracht hatte. Mit Kelsos war es seltsam gewesen: Er hatte die Verbindung mit dem Koordinator nicht vertragen, war davon wie im Zeitraffer ausgemergelt worden. Der Koordinator hatte es zwar bemerkt, den Prozess aber nicht aufhalten können. Nicht mehr rechtzeitig genug für Kelsos jedenfalls. Doch im Zuge seiner Versuche hatte er Enzyme gezüchtet, die bei späteren Kandidaten anschlugen und deren natürliche Lebensspanne teilweise verdoppelt oder verdreifacht hatten.
    Neben Kelsos lag der Gladius , das Kurzschwert, mit dem er einst blutend von einem Schlachtfeld hier angekommen war. Kroow koordinierte seine ungewohnten Gliedmaßen, beugte sich vor, tauchte mit einer Tentakelhand in die klare Flüssigkeit und bekam das armlange Schwert zu fassen. Als er es aus dem Becken hob, tropfte das geruchlose Konservierungsmittel zu Boden und bildete eine kleine Lache.
    Kroow achtete nicht darauf. Die Klingenspitze voran trieb er die Waffe in seinen bionetisch-organischen Körper. Sie tauchte in die Masse ein, ohne ihn zu verletzen, bis nicht einmal der Knauf noch hervorschaute.
    Kroow wandte sich der nächsten Wanne zu. Ishikawa Hanz, erinnerte er sich des Namens. Auch der drahtige Mann trug noch Reste seiner traditionellen Ninjakleidung, in der ihn seine Zeitodyssee in den Flächenräumer verschlagen hatte. Die einzige Waffe, die er mitgebracht hatte, war die Kusarigama, eine Art Sichel mit Kette, an der ein schweres Eisengewicht befestigt war.
    Ishikawa hatte damit umzugehen gewusst und für manche Vorführung herhalten müssen. Später hatte er die Kusarigama dazu benutzt, um Wild, das durch die Zeitblasen in die Station geraten war, zu jagen und zu töten.
    Kroow nahm auch diese Waffe und stopfte sie sich in seinen Leib. Sie verschwand so spurlos wie zuvor der Gladius.
    Die nächste Gestalt, die er betrachtete, hieß Joses. Joses war eine schwer zu deutende Persönlichkeit gewesen. Durch seinen Geist waren Bilder von drei Brüdern gehuscht, von denen einer, Jeschu mit Namen, gekreuzigt worden war. Joses hatte den Tod dieses Bruders nie verwunden und war, halb von Sinnen vor Trauer, in das Portal gestolpert, das ihn hierher führte.
    Kroow betrachtete den Toten eine Weile und entschied, dass die Bilder, die er aus dessen Geist übernommen hatte, keinen Nutzen brachten; zu wirr waren sie, zu unverständlich. Er wusste nicht, warum er sie als Koordinator überhaupt so lange in sich bewahrt hatte. Wie in einem Selbstreinigungsprozess löschte er sie jetzt aus. Danach war ihm irgendwie… wohler. Obwohl es jeder Logik widersprach, hatte er sich von den Fragmenten des Joses beobachtet gefühlt.
    Es gab noch mehr Tote, aber nur neun davon befand er für wert, in ihm »weiterzuleben«. Als Kroow den Friedhof verließ, beherrschte er seinen Körper bereits spürbar besser als auf dem Herweg. Trotz der Gegenstände, die er in sich aufgenommen hatte, fühlte er sich kein Quäntchen schwerer. Das mochte daran liegen, dass das hinzugekommene Gewicht gegenüber der Masse, die er bereits in sich vereinte, kaum der Rede wert war.
    Mit dröhnenden Schritten stampfte er durch die Anlage. Und mit jedem dieser Schritte wurde er schneller.
    Es war Zeit, Abschied zu nehmen. Draußen wartete eine Welt auf ihn, die er bislang fast ausschließlich aus den Köpfen von Verstorbenen kannte. Sie mit eigenen Augen zu schauen und zu durchwandern, würde eine ganz andere Qualität haben.
    Die Zeitblasen, die in andere, frühere Erdepochen führten, konnte er dabei nicht nutzen. Sie waren mit dem letzten Schuss des Flächenräumers gelöscht worden,

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