28 - Im Lande des Mahdi II
holte sein Kamel aus dem Gesträuch, in welchem er es versteckt gehabt hatte, hervor. Wir stiegen auf und ritten nach dem Regenbett. Wir sahen schon von weitem, daß dort ein sehr reges Leben herrschte. Man hatte die früheren und heute erst Gefangenen aus dem Kessel geholt und sie zu den neuen zugesellt. Sie saßen, nur an den Händen gefesselt, auf der offenen Steppe im Gras und waren von zahlreichen Wächtern umstellt. Nahe dabei lagerten die Asaker. Unweit von ihnen hatte sich der Emir mit seinen Offizieren niedergelassen, und hinter diesen Gruppen weideten die Kamele. Die Asaker waren sehr lustig und guter Dinge. Sie hatten gesiegt, ohne daß einer von ihnen verletzt worden war, und einen ausgezeichneten Fang gemacht, welcher ihnen reiche Prämiengelder einbringen mußte. Desto schweigsamer waren die Gefangenen. Sie warfen, als ich kam, finstere, haßerfüllte Blicke auf mich, und als ich nahe bei ihnen aus dem Sattel stieg, hörte ich, daß der alte Abd Asl zu seinem Nachbarn sagte:
„Nur diesem räudigen Giaur, diesem stinkenden Hund haben wir das alles zu danken. Möge Allah ihn zerreißen und in alle Lüfte zerstreuen!“
Ich achtete nicht auf diese Worte. Der Raïs Effendina stand auf, kam mir entgegen und benachrichtigte mich:
„Ich habe während deiner Abwesenheit alles erfahren und werde die Schuldigen streng bestrafen. Dort liegen sie.“
Er deutete auf eine Stelle, welche ich noch nicht beachtet hatte. Dort lag der alte Askari, dem ich das Kommando anvertraut hatte, mit dem Posten, welcher gegen Ibn Asl so mitteilsam gewesen war und ihn hatte entwischen lassen. Beide waren gebunden. Dann fuhr er fort:
„Man sagte mir, daß du mit deinem Ben Nil hast Ibn Asl nachjagen wollen. Wer war der Reiter, den du verfolgtest, als wir kamen? Ich sah ihn, konnte aber sein Gesicht nicht erkennen.“
„Eben Ibn Asl.“
Ich erzählte ihm, während wir uns zu seinen Offizieren setzten, den Hergang. Als ich geendet hatte, strich er sich nachdenklich den Bart und sagte, aber zu meiner Freude nicht mit dem von mir erwarteten ärgerlichen Ausdruck:
„Hätten wir ihn erwischt, so wäre uns viel Mühe und Anstrengung erspart. Ich darf nicht ruhen, bis ich diesen Halunken in meine Gewalt bekommen habe. Ich werde ihn nicht zu Atem kommen lassen, sondern ihn hetzen, bis er vor meinen Füßen zusammenbricht. Dieser Mensch allein ist noch gefährlicher als alle seine Leute zusammengenommen. Es wäre ein Triumph, ein Glück, eine Genugtuung, wenn wir ihn gefaßt hätten; dennoch will ich nicht klagen, sondern einstweilen zufrieden sein. Denn sieh die Gefangenen, und zähle sie! Hundertsechzig Sklavenjäger! Ist jemals so ein Fang gemacht worden, Effendi?“
„Ich habe wenigstens noch nichts davon gehört.“
„Ja, es ist noch nie geschehen. Man kennt mich bereits. Von jetzt an aber wird mein Name von allen solchen Schuften mit doppelter Scheu genannt werden, und das habe ich dir zu verdanken.“
„Lange nicht in der Weise, wie du es denkst! Ich habe dich ein wenig unterstützen können, aber nur, weil mir der Zufall günstig gewesen ist.“
„Das nennst du ‚ein wenig‘? Wer hat die Sklavenjäger im Wadi el Berd gefangen und die Fessarah-Frauen befreit? Du! Wer hat dann die sechzig Jäger dort am Brunnen der Steppe ergriffen? Du! Wem habe ich es zu verdanken, daß ich nicht mit meinem Schiff und allen meinen Leuten verbrannt worden bin? Dir! Und wer hat mir den heutigen Fang in die Hände geliefert? Wieder du! Und von ‚Zufall‘ darfst du gar nicht sprechen. Was du so nennst, ist nichts anderes als eine Folge deiner Schlauheit, deiner Verwegenheit, deiner scharfen Berechnungen, welche dich fast niemals täuschen. Also nicht mir, sondern eigentlich dir gebührt die Ehre, welche ich ernten werde. Aber du sollst erfahren und erkennen, daß ich dankbar bin. Die größte Dankbarkeit aber könntest du dir erwerben, wenn du mir eine Bitte erfüllst.“
„Welche?“
„Wann mußt du in deiner Heimat eintreffen?“
„Wann es mir beliebt.“
„So bleibe jetzt noch bei mir! Ich will dir etwas sagen; ich werde dir ein Versprechen geben: Wenn du mir hilfst, diesen Ibn Asl zu fangen, so bin ich bereit, dir dann –“
„Halt, kein Versprechen!“ unterbrach ich ihn. „Du hast mir erlaubt, dich als meinen Freund zu betrachten, und ich habe bewiesen, daß ich der deinige bin. Zwischen Freunden aber gibt es keinen Handel, keine Versprechen, keinen Preis und keinen Lohn. Ich habe Zeit. Warum soll ich sie dir nicht
Weitere Kostenlose Bücher