28 - Im Lande des Mahdi II
und beschütze dich!“
ZWEITES KAPITEL
Gefangen
Von dem Brunnen, an welchem das letzte Ereignis sich zutrug, bis zur Dschesireh Hassanieh ist eine Strecke von fast dreißig geographischen Meilen zurückzulegen. Unsere vortrefflichen Kamele legten diesen Weg in zwei Tagen zurück, waren aber dann, als wir uns dem Ziel näherten, so ermüdet, daß wir sie langsam gehen lassen mußten. Ich glaubte, die Richtung ganz genau genommen zu haben, war aber doch etwas zu weit nach links geraten, denn es stieg gerade vor uns der Dschebel Arasch Qol auf, welcher ziemlich weit nördlich von Hegasi liegt.
Es war gegen Abend, als wir dort ankamen. Hegasi ist eine armselige Helle (Dorf), welche aus wenigen Hütten besteht, und liegt auf dem hohen Ufer des Nils, ziemlich gut gegen die Überschwemmungen des Flusses geschützt. Von der Helle führte ein Weg hinab zum Fluß nach der Stelle, an welcher die Fahrzeuge landen und die Tiere getränkt werden. Dieser Weg sowohl wie auch die Tränk- oder Landestelle wird am oberen Nil Mischrah genannt.
Ich freute mich beim Anblick des Flusses, den ich seit dem Zug zu den Fessarah nicht wiedergesehen hatte. Die Bewohner des Dorfes kamen herbei, um uns nach dem Woher und Wohin und nach unserm Begehr zu fragen. Ich hütete mich natürlich, ihnen sofort Auskunft zu erteilen, und ging ihren Erkundigungen durch Gegenfragen aus dem Weg.
Zunächst führten wir unsere Kamele zum Fluß, um sie trinken zu lassen; dann brachten wir sie hinauf nach einer grasigen Stelle, deren Eigentümer uns gegen geringes Entgelt die Erlaubnis gab, sie da weiden zu lassen.
Auf der Höhe der Mischrah saß ein Mann, welcher nicht in das Dorf zu gehören schien. Er war vollständig bewaffnet und besser gekleidet als die Bewohner der Helle. Als ich mich bei einem der letzteren nach ihm erkundigte, antwortete er:
„Wir kennen ihn nicht. Er ist schon seit gestern hier und sitzt stets auf derselben Stelle, um flußabwärts zu blicken.“
„Erwartet er vielleicht ein Schiff?“
„Wahrscheinlich; aber er hat uns nicht geantwortet, als wir ihn danach fragten. Vor dem Dorf hält ein gesatteltes Pferd, welches er sich von unserm Scheik el Beled geliehen hat.“
„Wann hat er es geritten?“
„Noch gar nicht; aber es steht bereit, solange er sich hier befindet.“
„Wohin will er reiten?“
„Das wissen wir nicht; dem Scheik el Beled wird er es wohl gesagt haben, da dieser ihm sonst sein Pferd nicht gegeben hätte.“
Der Fremde war mir auffällig. Es war klar, daß er nach irgend etwas ausschaute und dann, wenn es erschien, sofort davonreiten wollte, um Meldung davon zu machen. Gern hätte ich gewußt, wohin er diese letztere bringen wollte; aber den Scheik fragen, das wäre wohl zu auffällig gewesen. Darum erkundigte ich mich bei dem Mann:
„Wann ist das letzte Schiff stromaufwärts hier vorübergekommen?“
„Gestern früh.“
„Und wann kam der Mann in das Dorf?“
„Zur selben Zeit, denn er kam von diesem Schiff. Er wurde in einem Boot an die Mischrah gebracht.“
„Das Boot blieb nicht hier?“
„Nein; es wurde wieder zum Schiff gerudert.“
„Wem gehörte das Schiff?“
„Das weiß ich nicht.“
„Was hatte es geladen?“
„Auch das kann ich nicht sagen.“
„Kannst du mir auch seinen Namen nicht nennen?“
„Es hieß Hardaun (Eidechse) und war keine Dahabiëh, sondern ein Noqer.“
„Wann kam das vorhergehende Schiff vorüber?“
„Einen Tag vorher, also vorgestern. Es war auch ein Noqer, er war leer und ging nach Süden, um Waren zu holen.“
„Ist nicht ein Schiff vorübergekommen, welches weder eine Dahabiëh noch ein Noqer war und ein sehr fremdes Aussehen hatte?“
„Nein.“
Diese Antwort beruhigte mich, denn sie sagte mir, daß der Raïs Effendina den gefährlichen Ort noch nicht passiert hatte. Sein ‚Falke‘ war so ungewöhnlich gebaut und aufgetakelt, daß er jedem hiesigen Auge auffallen mußte.
Ben Nil hatte sich in das Gras gelegt und sah dem Tun und Treiben der Dorfbewohner zu. Ich schritt langsam auf den Fremden zu, welcher mich scharf beobachtet hatte, setzte mich an seiner Seite nieder und grüßte:
„Allah schenke dir einen glücklichen Abend!“
„Glücklichen Abend“, antwortete er kurz.
Ich hatte den Gruß vollständig ausgesprochen, was man nur dann tut, wenn man besonders höflich sein will. Mit seiner Kürze wollte er mir jedenfalls sagen, daß ihm an meiner Gesellschaft nichts liege; ich tat aber, als ob ich das gar nicht herausgefühlt
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