28 - Im Lande des Mahdi II
aller gegenwärtigen europäischen Bildung nicht nur in sich tragen, sondern dieselbe sogar noch übertragen. Wo gibt es hier einen solchen Mann?“
„Es gibt einen“, antwortete er in selbstbewußtem Ton. „welcher zehnmal gescheiter ist als ihr Europäer alle miteinander.“
„Hm! Meinst du etwa dich selbst? Fast klingt es so.“
„Wen ich meine, das werde ich natürlich nicht sagen; aber Allah hat ihm den Geist, die Kenntnisse und alle Eigenschaften, welche zu einer solchen heiligen Sendung gehören, gegeben, und es wird gar bald die Zeit kommen, in welcher die Kunde von ihm in alle Länder erschallt und alle Kaiser, Könige und Fürsten Boten zu ihm senden, um ihm Geschenke zu geben und ihn um Frieden zu bitten. Darauf kannst du dich bei meinen heiligsten Schwüren verlassen!“
„Was das betrifft, so habe ich oft und auch heute wieder erfahren, was die Schwüre eines Moslem gelten. War es alles, was du mir zu sagen hattest?“
„Ja, ich wollte die Ansicht eines unterrichteten Christen über die Sendung des Mahdi hören.“
„Du hast sie gehört. Dann habe auch ich dich um etwas zu fragen. Wovon hast du mit dem alten Abd Asl gesprochen?“
„Von einem großen Fehler, den er einmal begangen hat. Er bat mich, denselben gutzumachen.“
„Wirst du das tun?“
„Ja.“
„Es fragt sich aber wohl, ob du das tun kannst.“
„Ich kann es, denn er hat mir die nötigen Anweisungen gegeben.“
„Darf ich davon erfahren?“
„Warum, Effendi? Es war die Beichte eines Sterbenden und du selbst bist so zartfühlend gewesen, es nicht hören zu wollen. Willst du jetzt auf einmal diese Großmut bereuen?“
„Nein; aber ich befürchte, daß diese Angelegenheit mir nicht gleichgültig sein kann.“
„Sie geht dich ganz und gar nichts an.“
„Es wird nichts gegen mich geplant?“
„Wie kommst du zu dieser Frage? Du hast mir das Leben gerettet, und ich bin dir Dankbarkeit schuldig. Darum würde ich dich sicher warnen, wenn Abd Asl etwas gegen dich vorhätte.“
„Aber er ist dein Freund!“
„Meine Dankbarkeit gegen dich steht mir höher als diese Freundschaft. Ich bitte dich, mir zu vertrauen!“
„Ich traue nur dem, den ich vollständig kenne; dich aber habe ich heute zum erstenmal gesehen.“
„So tut es mir leid, daß du jetzt nicht Zeit finden wirst, mich besser kennenzulernen. Ich habe ausgeruht und werde jetzt meine Reise nach Karthum fortsetzen. Ich bitte dich, mir eins der Kamele auszuwählen.“
„Das werde ich tun, doch erst beim Anbruch des Tages.“
„Jetzt nicht? Du hast es mir ja doch versprochen!“
„Allerdings, und ich werde mein Versprechen auch halten.“
„So kann es dir gleich sein, ob du mir das Kamel jetzt oder später gibst.“
„Dir ebenso.“
„Nein, denn ich muß jetzt fort.“
„Und ich bin überzeugt, daß du erst am Morgen abreisen wirst.“
„Ich sage dir aber, daß –“
„Und ich sage dir“, unterbrach ich ihn in scharfem Ton, „daß mir das, was du mir sagst, sehr gleichgültig ist. Ich weiß ganz bestimmt, daß du hierbleibst, bis wir auch aufbrechen.“
„Effendi, was fällt dir ein! Ich weiß, was ich will. Oder sollte ich etwa nicht mehr Herr meines Willens sein?“
Ich war aufgestanden; auch er sprang auf und stellte sich mir drohend gegenüber.
„Ich lasse dich nicht fort!“
„Mit welchem Recht?“
„Mit dem Recht des Stärkeren. Ich bin Gebieter an diesem Brunnen, und zu allem, was hier geschehen soll, habe ich meine Erlaubnis zu geben.“
Er hatte seine Flinte in der Hand. Ich hielt mich auf alles gefaßt, am meisten darauf, daß er plötzlich davoneilen werde. Da ich mein Gewehr an meinem Platz zurückgelassen hatte, konnte er der Ansicht sein, daß ihm die Flucht, ohne daß ihm eine Kugel folgte, gelingen werde.
„Du hast mir ein Kamel versprochen, damit ich weiterreiten kann“, sagte er in sehr bestimmtem Ton. „Ich verlasse mich auf dein Wort.“
„Du wirst es bekommen und kannst weiterreiten, doch wann, davon ist nicht die Rede gewesen. Du wirst in der Frühe mit uns aufbrechen.“
„Ich habe es aber so eilig, daß ich nicht auf euch warten kann!“
„Warum hast du das früher nicht gesagt? Da schienst du es nicht so eilig zu haben. Übrigens werden wir sehr schnell reiten, und du versäumst also nichts, wenn du bis zu unserem Aufbruch wartest.“
„Effendi, ich brauche keine Reisegesellschaft und keine Beschützer, denn ich reise allein viel sicherer als in Begleitung eines Christen, dessen Gegenwart
Weitere Kostenlose Bücher