28 - Im Lande des Mahdi II
nicht. Die Sonne war nur noch drei ihrer Durchmesser vom westlichen Horizont entfernt, da sahen wir Bäume und Gesträuch in der Ferne; das war der Bir Safi. Bald sahen wir Kamele liegen und Menschen sich bewegen; das war unsere Karawane.
„Was wird Abd Asl sagen, wenn wir kommen!“ meinte Ben Nil.
„Und der Fakir el Fukara, welcher Mahdi werden will!“
„Die Kerle haben jedenfalls schon geglaubt, daß wir zugrunde gegangen sind. Allah vernichte sie! Ich habe dem Alten das Leben geschenkt. Hätte ich gewußt, was unser an der Dschesireh Hassanieh wartete, so hätte ich es nicht getan.“
„Ich hoffe, daß du dich nicht noch nachträglich an ihm vergreifst!“
„Du hast nichts zu befürchten. Effendi! Dieser alte, stinkende Schakal ist mir viel zu widerwärtig, als daß ich mich an ihm vergreifen möchte. Vor meiner Berührung ist er sicher.“
Jetzt waren wir dem Brunnen so nahe, daß die dort Befindlichen uns erkennen konnten.
„Der Effendi!“ hörte ich eine Stimme rufen.
„Der Effendi! Und Ben Nil! Der Effendi, der Effendi! Preis Allah und Heil uns! Sie kommen, sie kommen!“ so riefen zwanzig Stimmen durcheinander und ebenso viele Männer kamen uns entgegengerannt. Wir mußten noch vor dem Brunnen von den Kamelen herab. Man drückte uns die Hände; man rief und schrie in allen Tonarten, und ich ließ sie gern gewähren, denn ihre Freude konnte uns ja keinen Schaden bringen und war mir ein wohltuender Beweis, daß ich ihren Herzen nicht fremdgeblieben war. In dieser Weise war selbst ihr Vorgesetzter, der Raïs Effendina, nicht bewillkommnet worden, als er im Wadi el Berd auf uns traf.
Natürlich sollten wir erzählen. Vorher aber mußte ich wissen, wie es bei ihnen ergangen war. Wir setzten uns nieder, und der alte Askari, dem ich das Kommando anvertraut hatte, sagte:
„Es ist alles nach der richtigen Regel gelaufen, Effendi. Es gibt nur eins, was wir zu beklagen haben. Es fehlt einer: Oram. Er hat sich von den Fesseln losgemacht, sich ein Kamel genommen und ist – – –“
„Uns nachgeritten“, fiel Ben Nil ein.
„Das ist ganz richtig! Wie aber könnt ihr es wissen?“
„Wir haben ihn gesehen.“
„Wo denn?“
„Das werden wir euch erzählen“, antwortete ich. „Vor allen Dingen möchte ich wissen, ob die Gefangenen gut gebunden sind.“
„Effendi, seit Oram uns entschlüpft ist, entkommt uns keiner mehr. Ich hoffe, daß du uns dessen Flucht nicht anrechnen wirst. Als er gefesselt wurde, warst du ja selbst noch da!“
„Nun, was das betrifft, so war der Mangel an Wachsamkeit wohl mehr schuld an seinem Entkommen als die ungenügende Fesselung. Ihr habt doch gewacht! Ihr habt einen Kreis um die Gefangenen gebildet. Da es ihm geglückt ist, aus demselben zu gelangen, so nehme ich an, daß ihr alle zusammen geschlafen habt.“
„Nein, Effendi, wir haben abwechselnd gewacht; aber dieser Hund muß einen Zauber besitzen und sich unsichtbar machen können.“
„So ist der Zauber bei mir und Ben Nil wirkungslos, denn wir haben ihn gesehen, und zwar mehrere Male. Aber ich zürne euch nicht; ich habe sogar alle Veranlassung, mich über seine Flucht zu freuen. Sie hat uns Schaden bringen sollen, wird aber im Gegenteil von großem Vorteil für uns sein.“
„Ist das möglich?“
„Sehr! Heute konnten wir ihn fangen, wenn wir wollten; wir haben ihn aber laufen lassen, weil er uns, wenn er frei ist, mehr Nutzen schafft, als wenn er sich in Gefangenschaft bei uns befindet.“
Da rief der alte Abd Asl unter höhnischem Gelächter herüber:
„Prahle nicht! Du redest solche Lügen, um uns zu ärgern; aber du täuschst uns nicht. Hättet ihr Oram gesehen, so hättet ihr ihn ergriffen. Da ihr das nicht getan habt, habt ihr ihn auch nicht gesehen.“
„Dein Kopf ist ein Brunnen aller Weisheit, o heiligster aller Moslemin“, antwortete ich ihm.
„Weißt du denn, wohin er gegangen ist?“ fragte er lachend.
„Zu Ibn Asl, deinem Sohn, natürlich.“
„Wenn du ihn gesehen hättest, müßtest du bei Ibn Asl gewesen sein!“
„Wir waren bei ihm, waren sogar auf seinem Schiff und haben mit ihm gesprochen.“
„Lüge! Lüge!“
„Nimm dich in acht, oder du bekommst die Peitsche. In deiner Lage hat man sich der Höflichkeit zu befleißigen!“
Da richtete sich der Fakir el Fukara in sitzende Stellung auf und sagte:
„Du forderst Höflichkeit? Behandelst du uns so, daß wir sie dir bieten können?“
„Ich behandle euch so, wie ihr es verdient habt.“
„Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher