283 - Der Zorn der Königin
alter Freund Djeyms hatte sich wirklich sehr verändert. So sehr, dass sich Paacival manchmal direkt vor ihm fürchtete.
Finster starrte er auf das Gebilde am Strand. Es sah aus, als hätte man zwei schmale Kanus mit einer floßartigen Plattform verbunden. Hanf und Pech machten das Grünholz wasserdicht. Vorne und hinten ragte je ein Mast in den trüben Nachmittagshimmel. Katamawan , so nannte Djeyms seine Erfindung. Noch nähten die Frauen am weißen Segeltuch. Doch das fehlende Material für die Steuervorrichtung hatte der Schrotthändler Spencer heute aus Landán mitgebracht. Wahrscheinlich baute er immer noch mit Djeyms in der Werkstadt des Schmieds daran.
Vielleicht ein, zwei Tage, schätzte Paacival, dann war das Schiff für die Reise nach Osten bereit. Würde Steewens dann wirklich zurückkehren? Sorgenvoll blickte er in den Nebel, der wie eine schmutziggraue Decke über der Themse hing. Obwohl er gerne an die Worte seines einstigen Freundes glauben würde, nagten Zweifel in ihm. Vielleicht hatte Spencer ja etwas über einen herumirrenden Jungen gehört.
Schwerfällig erhob sich Paacival von dem kalten Stein und machte sich auf den Weg zurück in das Ruinendorf. Bald würde es dunkel werden. Er hoffte den Schrotthändler vor dessen Abfahrt noch zu erwischen. Tief in Gedanken versunken kletterte er die Uferböschung hinauf und bemerkte nicht das Boot, das im Schutze des Nebels den Randbezirk Chelseas ansteuerte…
***
Wenig später
»Wea da?« Littlelord Seimes starrte mit zusammengekniffenen Augen in die trübe Nebelsuppe, aus der merkwürdige Geräusche ertönten. Er hatte sich eben mit dem einäugigen William ans Feuer gesetzt, um mit einer Flasche Whisky den Ärger über Paacival und Djeyms hinunter zu spülen. Als er nun keine Antwort erhielt, stand er auf und zog sein Schwert. »Veaflucht, zeig dich, wenn dia dein Leben lieb ist!«
Einen Moment lang flackerten rote Lichter im Nebel auf. Dann trat eine Frau aus den grauen Schwaden. Die schmutzigste Frau, die Seimes vermutlich je gesehen hatte. Die wohl einst weißen Gewänder an ihrem schlanken Körper strotzten vor Blut und Dreck. Hände, Gesicht und selbst die Haare sahen aus, als hätte sie sich im Lehm gewälzt. An den Wangen prangten schwarze Zeichnungen und Stirn und Kopf waren mit einem Band aus Wisaauborsten umwickelt.
Bis zu den Zähnen bewaffnet war sie. Und wäre da nicht das Laserphasengewehr gewesen, wie es nur die Maulwürfe aus dem Landáner Bunker benutzten, so hätten die Lords am Feuer sie für eine fremdländische Kriegerin gehalten.
Einen Moment lang genoss Victoria Windsor den Anblick der Lords, die vor ihrer furchterregenden Erscheinung erschreckt zurückwichen. Dann trat sie ans Feuer. »Wo finde ich Littlelord Seimes?« Sie war gekommen, um nach dem Besuch bei Taratzenkönig Hrrney ihre finsteren Pläne weiter voranzutreiben.
Verblüfft starrten die Männer sie an. Der Littlelord fand als Erster die Sprache wieder: »Ich bin Seimes. Was willste von mia?«
»Ich weiß aus sicherer Quelle, dass du genauso wie ich daran interessiert bist, den Technos im Bunker ein für alle Mal den Garaus zu machen.« Sie senkte das Gewehr und warf dem Hünen mit dem grauen Lupafell um Schulter und Brust einen herausfordernden Blick zu.
Der zog ein argwöhnisches Gesicht. »Wea hat dia das gesagt?«
»Der Neffe von Grandlord Paacival.«
Für einen Augenblick herrschte wieder verblüfftes Schweigen. Bis der Einäugige neben Seimes fast andächtig flüsterte: »Der Dwuud hatte wecht. Steewens lebt also doch noch.«
»Halt's Maul!«, raunzte Littlelord ihn unwillig an. An die Ex-Queen gewandt wollte er wissen, wo der Junge war.
»Die Demokraten halten ihn im Bunker gefangen«, antwortete Victoria.
Bei dieser Botschaft erhellte sich das Gesicht von Littlelord Seimes. »Haste Beweise?«, fragte er aufgeregt.
Als Victoria ihm Steewens Amulett vor die Nase hielt, gab es kein Halten mehr. »Wenn Paacival davon höat, muss ea endlich handeln. Bald schon wiad dea Bunkaa wieda den Loads gehöan.« Seine Augen leuchteten. »Wie ist dein Name? Wohea kommst du?«
»Nenn mich Toria. Toria aus Salisbury.«
»Gut gemacht, Toija aus Salisbuwy.« Als hätte sie eine Heldentat vollbracht, schlug er ihr auf die Schulter. Die Gier nach dem Bunker machte ihn taub für den zynischen Unterton der Ex-Queen und blind für die Verschlagenheit in ihren grünen Augen. Ohne weitere Fragen zu stellen, führte er sie direkt zum Anwesen Paacivals.
Dort
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