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283 - Der Zorn der Königin

283 - Der Zorn der Königin

Titel: 283 - Der Zorn der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Asphalt der Straße verwachsen schienen, befand sich der Zugang zum U-Bahntunnel. Ein schwarzer, zerklüfteter Spalt, in dem verwitterte Stufen ins Erdreich führten.
    Vor vielen hundert Jahren donnerten hier unten Stahlzüge durch die verzweigten Stollen. Heute überwucherten Moos und niedrige Farngewächse die rostigen Schienenstränge. Feuchtigkeit troff vom zerfressenen Mauerwerk und es roch nach Moder und brackigem Wasser. Tief drinnen in dem verfallenen Röhrenlabyrinth befand sich das Domizil der Taratzen.
    In einer der einstigen Bahnhofshallen hatten sie sich eingerichtet: Nester aus Stroh und Reisig, Vorratskammern in Holzverschlägen und sogar einen thronartiger Sessel und einen Tisch gab es hier. Im zugigen Gang hinter einer Eisentür bewahrten die mutierten Riesenratten ihre Fleischvorräte auf: Kadaver wilder Hunden und Katzen und mitunter auch den einer erlegten Wisaau.
    Notausgang , stand in verwischten Lettern über der Eisentür. Natürlich verstanden die Taratzen nichts vom Schreiben und Lesen. Auch beherrschten die meisten von ihnen nicht die menschliche Sprache. Sie verständigten sich mit Pfeiftönen, Fauchen und bestimmten Bewegungen ihrer langen Schwänze. Allesamt waren sie gefräßige Wesen von niedriger Intelligenz.
    Und doch gab es eine Taratze unter ihnen, die sowohl die menschliche Sprache verstand, als auch in der Lage war, Worte mit Maul und Zunge zu formen. Sie besaß einen wuchtigen Schädel. Ihr langes Fell war weder schwarz noch grau wie das der anderen, sondern hellbraun mit vielen goldblonden Strähnen darin. Auch ihr Körper war größer und kräftiger als die aller anderen. Sie nannte sich Hrrney.
    Vor langer Zeit hatte sie sich zum König der Landáner Taratzen aufgeschwungen und ihr Volk siegreich in den Kämpfen gegen die Menschen geführt. Doch das war lange her. Das Einzige, was aus diesen Eroberungszügen noch geblieben war, waren der thronartige Sessel und der Lieblingsplatz Hrrneys: der Tisch.
    Wie immer, wenn er nachdenken wollte, hatte der Taratzenkönig sich auch jetzt auf die Platte mit dem spröden Holz zurückgezogen. Sein lederartiger Schwanz peitschte auf und ab, während er die wild herumspringenden Artgenossen beim Schienenschacht beobachtete. Fiepend und kreischend begleiteten sie das Spektakel, das sich in der Mulde zu ihren Klauen abspielte: Ein kräftiger Wisaaukeiler verteidigte schnaufend und grunzend sein Leben gegen zwei wilde Doggars, die die Taratzen auf ihn losgelassen hatten.
    Hrrney konnte sich heute nicht an diesem blutigen Zeitvertreib erfreuen. Ihn plagte die juckende Narbe unter seinem Bauchfell. Letzten Winter hatte ihm dort ein Eluu eine schreckliche Wunde zugefügt. Wahrscheinlich würde er gar nicht mehr leben, wenn ihm der Mensch Rulfan damals nicht die Wunde versorgt hätte. Doch Dankbarkeit empfand Hrrney nicht. Schließlich war der hässliche Albino verantwortlich für den Tod vieler Taratzen.
    Wäre Rulfan nicht mit seiner Lupa aus der Gefangenschaft geflohen, hätten sie ihn nicht jagen müssen. Und hätten sie ihn nicht jagen müssen, wären sie nicht in das Feuer der Lords geraten. Bei der Erinnerung daran zitterten Hrrneys lange Barthaare. Oh, wie er dieses Barbarenpack hasste, das Rulfan zur Flucht verholfen hatte. Genauso wie diese dreckigen Technos, die es sich im Bunker wieder gutgehen ließen.
    Durchdringendes Jaulen und beifälliges Kreischen unterbrach seine düsteren Gedanken. Offenbar hatte der Keiler mit seinen Hauern einen der Hunde aufgespießt. Hrrneys Augen funkelten, als er nun sah, wie seine Taratzen vor dem Schacht auf und ab hüpften und sich übermütig das Fell klopften. Ein jämmerlicher Haufen, der sich mit Aas und albernen Spielen zufrieden gab. Einst waren sie ein stattliches Heer gewesen, Herrscher über die Glaskuppel. Doch die Explosion der Kuppel und die Kämpfe mit den Lords hatten ihre Anzahl auf zwei Dutzend reduziert.
    Zwei Dutzend! Zu wenig, um eine anständige Ruine in der Stadt zu übernehmen. Die Bürger würden gleich die Bunkerleute zu Hilfe rufen, und die würden dann mit ihrem Raupengefährt und den Feuereisen anrücken und die Taratzen vertreiben. Unwillig peitschte Hrrney seinen Schwanz durch die Luft. Nein, mit so einem jämmerlichen Haufen ließen sich keine Schlachten mehr schlagen. Er brauchte mehr von ihnen. Viel mehr!
    Wieder ertönte ein Jaulen. Diesmal länger und höher als das erste. Schließlich verebbte es zu einem Japsen und Winseln. Dann wurde es still. Es hatte den zweiten

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