286 - Der körperlose Herrscher
doziert?« Sie wandte sich mit aufeinander gepressten Lippen ganz dem Monitor zu. Quart'ol wusste, dass er gewonnen hatte. Sie würde nicht weiter darauf bestehen, sofort anzugreifen.
Die Qualle erreichte seichteres Wasser und musste gegen eine starke Strömung anschwimmen. Sie erreichten den breiten Zufluss des Potomac River. Es gab nur wenige Stellen, an denen eine Qualle die wilden Strömungen ungefährdet meistern konnte. Nicht weit entfernt dröhnten gigantische Wassermassen, die sich mehrere Schwimmlängen vom Hafen entfernt in einem Wasserfall ins Meer ergossen.
Sie passierten die »Gerippe«, wie Quart'ol die großen Bogenreste nannte, die einst zu einer mächtigen Rundbrücke gehört haben mussten. Algen hatten den grauen Beton überwuchert und nur seine Form, die an längst vergangene Zeiten erinnerte, war als Fremdkörper in der unterseeischen Welt zu erahnen. Hier und da rosteten die Überreste eines Automobils vor sich hin. Putzerfische hatten dafür gesorgt, dass ihre Konturen noch immer zu erkennen waren. Ob die Autos hier seit dem Tag lagen, an dem die Welt der Menschen untergegangen war? Hatten ihre Besitzer es nicht mehr über die Brücke geschafft?
Ein Schwarm von gut zwei Meter langen Schlangenkopffischen wurde auf die Qualle aufmerksam und Quart'ol musste einen elektrischen Impuls ins Wasser schicken, um die neugierigen Fische auf Abstand zu halten. Vertreiben ließen sie sich davon nicht.
»Wir holen auf«, klackte Bel'ar konzentriert. Sie steuerte die Qualle im Sichtschutz des Fischschwarms noch näher an die Mar'os-Qualle heran.
Auf dem bionetischen Schirm sah Quart'ol die beiden Quallen ihrer Verbündeten. Sie legten in einer Bucht zehn Schwimmlängen entfernt an. »Wohin wollen die?«, fragte er verwirrt. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Mar'osianer hätten eines der Dörfer überfallen, das nah am Wasser lag?
»Es gibt einen Vorort von Waashton, der mit Wasserkanälen mit dem Fluss verbunden ist«, klackte Bel'ar, die sich als Beobachterin am besten in der Gegend auskannte. »Es ist so eine Art Armenviertel, das noch vor den Toren der Stadt liegt.«
Sie griffen zu Ausrüstung und Waffen und verließen die Qualle. Gilam'esh hob einen Feldstecher an die Augen, den die Hydriten irgendwann in den Feldern vor Waashton während einer Überflutung gefunden hatten und den er eigens für die Mission mitgenommen hatte. Er trug die Prägung U.S. Army. Was damit gemeint war, wusste Quart'ol durch Matt Drax, und er vermutete, dass der Feldstecher einst Mr. Black und seinen Leuten gehört hatte.
»Sie steigen in einen Kanal«, teilte Gilam'esh mit.
Inzwischen hatte die Besatzung der anderen beiden Kleinquallen zu ihnen aufgeschlossen. Unter einem azurblauen Himmel liefen die sieben Hydriten los, angeführt von Gilam'esh und ihm.
»Wir müssen uns beeilen, wenn wir die Mar'os-Jünger stellen wollen, ehe sie das Viertel erreichen«, schnalzte Bel'ar. Sie glitt noch vor Gilam'esh in den Kanal. Sie entdeckten fünf Schemen, die nach kurzer Zeit wieder zum Ufer schwammen.
»Jetzt oder nie«, klackte Gilam'esh und zückte seinen Schockstab. Sie holten auf. Die Mar'osianer blickten nicht zurück, als sie an Land gingen.
Quart'ol hetzte aus dem Wasser. Sie befanden sich auf einem menschenleeren Platz, an dem zwei Lagerfeuer schwelten, die fast niedergebrannt waren. Ruinen ragten zwischen den Baumwipfeln auf, einige waren von Efeu überwuchert. Die Natur hatte unerbittlich zurückgefordert, was jemals dort gebaut worden war.
Menschen waren nicht zu sehen. Der Platz wirkte so verlassen, als habe eine Katastrophe stattgefunden. Außer ein paar am Ufer wühlenden Ratzen und einem Schwarm Kolks über ihnen war kein Lebewesen auszumachen. In der Ferne meinte Quart'ol Schüsse zu hören, oder waren seine Sinne überreizt? Er hatte keine Zeit, über die sonderbare Situation an Land nachzudenken. Die fünf Mar'os-Jünger drehten sich um. Ihre Anführerin trug ein goldenes Gewand. War es Sar'kir selbst? Hinter ihr fiel das Licht der Sonne vom Himmel und blendete ihn.
Quart'ol atmete tief ein und starrte sie an. Gleichzeitig hörte er neben sich ein fassungsloses Schnalzen: »E'fah!«
Gilam'esh ließ seine Waffe sinken. »E'fah… lebt?«
In diesem Moment löste E'fah einen Kombacter vom Gürtel über ihrem aus Gold gewirkten Lendenrock. Quart'ol erkannte sowohl die Kleidung als auch den Stab, denn er hatte ihn bereits in den Händen gehalten. Es war der Kombacter von Sar'kir.
»Runter!« Er riss
Weitere Kostenlose Bücher