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286 - Der körperlose Herrscher

286 - Der körperlose Herrscher

Titel: 286 - Der körperlose Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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direkt zielte, begriff Quesra'nol erst, als der schlanke Bolzen auf die Prunkplatte zusauste, die er noch immer in den Händen hielt. Die Fremde griff Mutter an!
    Er riss die Platte erschrocken nach oben, um sie aus der Schusslinie zu bringen, aber es war zu spät. Mutters mentale Stimme gellte in seinem Kopf. Sie war getroffen!
    Fast zeitgleich jagten die drei Harpunen der restlichen Wächter in den Körper der Namenlosen, durchschlugen deren Oberkörper und traten auf der Brust aus. Die Getroffene röchelte und berührte eine der Bolzenspitzen mit verständnislosem Blick, als könne sie nicht begreifen, was geschehen war. Blut quoll hervor und verteilte sich wie feiner Nebel im Wasser.
    In diesem Augenblick wusste Quesra'nol wieder, wie sie hieß und woher er sie kannte.
    »Iman'ja«, klackte er leise. Mutter war mit ihrem Schmerz beschäftigt und so konnte sein eigener Schmerz zu ihm durchdringen. »Nein…«, war alles, was er sagen konnte. Der Schock war mehr, als er ertragen konnte, und machte ihn sprachlos.
    Die Augen Iman'jas wurden weit und leer. Sie driftete davon, in das dunkle Meer des Todes.
    Warum hatte er das zugelassen? Schuld und Scham überfluteten ihn, als der reglose Körper seiner Freundin im Wasser trieb. Sie waren viele Wochen zusammen gereist, hatten Seite an Seite gekämpft.
    Hass durchzuckte ihn. Hass auf Mutter und ihre Grausamkeit. Er wollte die Hand nach Iman'ja ausstrecken… und zögerte. Er spürte den Feind in sich. Mutter hatte sich von ihrem Schrecken erholt und sofort wurde die Intensität seiner Gefühle gedämpft. Er blickte auf den Stein, der nahezu unbeschädigt war. Nur ein schuppengroßes Stück war von dem Brocken abgetrennt worden.
    Die Stimme des Steinwesens erklang erneut. Quesra'nol spürte die Verwunderung, als es sich mental an ihn wandte. Berge den Splitter, Quesra'nol. Und dann werden du und E'fah an Land gehen und mir menschliche Nahrung besorgen. Die Lebensenergie der Hydriten kann mich nicht genügend ernähren.
    Quesra'nol erinnerte sich, dass Mutter erzählt hatte, sie habe an Land keine tierische Energie absorbieren wollen. Offensichtlich verhielt es sich mit Hydriten ähnlich wie mit Säugetieren: Sie gaben ihr nicht in ausreichender Intensität, was sie so dringend brauchte.
    Er musste sich zusammenreißen, um Mutter nicht zu zeigen, wie sehr er ihr diesen kleinen Rückschritt innerhalb ihrer Pläne gönnte. Auch wenn seine Gefühle gedämpft waren, würde er niemals vergessen, was in dieser Grotte geschehen war. Sein Blick fiel auf die tote Iman'ja. Sie sollte nicht umsonst gestorben sein. Er musste Mutter zur Rechenschaft ziehen, und er wusste auch schon…
    Quesra'nol , unterbrach die mentale Stimme forschend seine Gedanken. Hol mir endlich den Splitter und denk nicht zu viel.
    Er klackte zustimmend und eilte sich, ihrem Auftrag Folge zu leisten. Tief in sich verbarg er seinen Hass. Das Bild der sterbenden Iman'ja hatte sich trotz aller Gefühlskälte in seine Erinnerungen gebrannt wie ein glühendes Mal. Schon einmal hatte er seine Gedanken verbergen müssen, um die Gefahr der schwarzen Kristalle zu bekämpfen. Schon einmal hatte er sich verstellt und einen anderen verraten. Er konnte es wieder tun. Alles, was er dafür benötigte, war Zeit.
    ***
    Mutter sah durch die Augen E'fahs, wie diese die Höhle verließ. E'fah würde dem Auftrag Folge leisten, daran zweifelte sie nicht. Die Hydritin stand ganz unter ihrer Kontrolle. Hoffentlich beeilte sie sich.
    Sie verlagerte ihre Sicht in die Augen Quesra'nols, der sich ein Besteck aus Stein geholt hatte und den abgesprengten Splitter vorsichtig auf eine kleinere Platte hob.
    Verwirrung durchflutete sie, als sie ihre Empfindungen von Quesra'nol fort auf den Splitter konzentrierte. Wie konnte das sein? Ein Teil von ihr war verloren - und doch immer noch mit ihr verbunden, das spürte sie mit aller Deutlichkeit. Er war ein brennendes Fanal in ihrem Bewusstsein und schien dennoch autark zu funktionieren.
    Sie bemerkte Quesra'nols Blick, als die Wächter das tote Fischweib hinausschafften. Er war zornig über den Tod der Hydritin, doch er würde seinen Zorn bald vergessen und wieder ihr ganz gehören.
    Schon von Anfang an hatte sie auf ihn leicht Einfluss nehmen können, vielleicht weil er seit dem Verlassen seiner fernen Heimat einen Teil seiner geistigen Kraft verloren hatte. Erst durch die Verbindung mit ihr war sein Geist wieder erstarkt, denn sie brauchte seine Fähigkeiten als Wissenschaftler. Dennoch konnte

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