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287 - Meister der Lüge

287 - Meister der Lüge

Titel: 287 - Meister der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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anknipsen. Er schwebte im hinteren Teil des Raumes frei in der Finsternis wie der Vollmond am Nachthimmel, jedenfalls wirkte er auf Alastar so.
    Meister Chan schien in goldenem Licht aus sich selbst heraus zu strahlen. Ein rundliches Gesicht aus reinem Gold starrte Alastar an. Es wies die gleichen Schlitzaugen auf wie die Erleuchteten und viele der goldenen Statuen in Eibrex . Auf dem Kopf saß eine ebenfalls goldene, pagodenförmige Mütze.
    An den Augenbewegungen, die keinerlei Gesichtsmimik erzeugten, erkannte Alastar, dass Meister Chan sein wahres Gesicht hinter einer Maske versteckte. Sein dunkelblauer Anzug, der aus Hemd und Hose bestand, war unter dem Reenscha-Zeichen, das über seinem Herzen prangte, von zahlreichen Goldfäden durchwirkt, in denen Alastar ein Muster zu erkennen glaubte - hohe steile Berge, die sich aneinanderreihten und dessen höchste Spitze direkt an dem blauen Kreis mit dem aufgerichteten roten Löwen darin endete. Meister Chan schien im Lotussitz inmitten des schwarzen Nichts zu schweben. Alastar erinnerte sich, dass die Erleuchteten diese Form des Sitzens so genannt hatten.
    »Willkommen, Alastar, Chef meiner Exekutoren«, begrüßte ihn Meister Chan mit angenehmer, freundlich wirkender Stimme. »Meine Neugier erfordert es, dass ich zum ersten Mal das Gespräch mit dir suche. Weit über ein Jahr hat meine Reise nach Agartha gedauert. Erst vor zwei Tagen bin ich wieder zurückgekommen und habe mir natürlich auch die Aufzeichnungen deiner Berichte angehört. Darin erzählst du, dass du mit einem Mann namens Rulfan zusammengetroffen bist.«
    Alastar atmete erleichtert durch. Darum ging es also. »Ja, Rulfan«, erwiderte er. »Ich habe ihn im Janaar in Ardenach getroffen und wir waren kurzzeitig Kampfgefährten, weil wir zwischen die Fronten eines Clankriegs geraten sind. [1] Er ist ein starker und trickreicher Kämpfer und ich hätte ihn gerne zum Exekutor gemacht. Doch er hat abgelehnt. Im April war er dann aber hier in Glesgo, um nach euch zu forschen, Herr. Er ist jedoch nach einigen Tagen unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Wäre ich hier gewesen, hätte ich mein Angebot noch einmal erneuert.«
    »Das habe ich bereits deinen Berichten entnommen, Alastar. Wie sieht Rulfan aus? Beschreibe ihn mir genau.«
    »Natürlich, Herr. Er ist nicht ganz so groß wie ich, dafür aber mit mächtigen Muskeln ausgestattet. Er hat lange weiße Haare und rote Augen.«
    »Ein Albino. Er muss es sein, in der Tat. Rulfan von Coellen…«, flüsterte Meister Chan. »Du sagtest ja auch, dass er sich mit Tekknik bestens auskennt.«
    »Ja, das tut er. Herr, kennt Ihr Rulfan von irgendwo her?« Im selben Moment noch, als er die Frage stellte, wurde sich Alastar seiner Dreistigkeit bewusst. Er erwartete, zumindest scharf zurechtgewiesen zu werden. Nichts dergleichen geschah.
    »Kennt man einen Menschen, wenn man von dessen Existenz weiß?«, orakelte Meister Chan in gleichbleibend freundlichem Ton. »Rulfan ist auf jeden Fall eine sehr interessante Persönlichkeit, die um die tieferen Dinge der Welt weiß.«
    Danach stellte er alle möglichen Detailfragen über den Weißhaarigen. Alastar beantwortete sie so gut er konnte, musste aber sehr oft auch passen. Zu flüchtig war ihre Begegnung gewesen. Immerhin konnte er Meister Chan sagen, unter welchen Umständen Rulfan jetzt lebte und wo er zu finden war.
    Schließlich gab sich Meister Chan zufrieden. »Ich möchte Rulfan persönlich kennenlernen. Du wirst also umgehend nach Canduly Castle aufbrechen und den Albino hierher bringen, eben mit der Aussicht, die Bekanntschaft der Reenschas machen zu können. Schau zu, dass er sich nicht allzu viel Zeit lässt. Und kein Wort zu niemandem über das, was wir hier gesprochen haben. Unter keinen Umständen.«
    »Natürlich, Herr.«
    »Gut. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann, Alastar. Sonst wärst du niemals Chefexekutor geworden. Ich habe sogar eine Zeitlang überlegt, ob ich dich als Leibwache mit nach Agartha nehmen soll, habe mich dann aber dagegen entschieden. Du bist mir hier vor Ort wichtiger.«
    Meister Chan strahlte die Redseligkeit und Jovialität eines alten Mannes aus. Fast schien es Alastar, als genieße er es, mit ihm zu plaudern. Das ließ ihn immer mutiger werden, eigene Fragen zu stellen.
    »Was ist Agartha, Herr? Von diesem Ort habe ich noch nie gehört. Und ich bin schon weit in Euree herumgekommen.«
    Meister Chan kicherte. »Ich weiß, mein Bester, ich weiß. Aber Agartha ist nicht auf

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