287 - Meister der Lüge
quer über dem Rücken. Dazu baumelten einige Messer und Werkzeuge, die Jeef nicht sofort identifizieren konnte, an seinem Gürtel. Auch einige kleinere Ledertaschen sah der Arfaar-Priester.
Der Fremde, zweifellos ein Soldscher, aber wahrscheinlich kein Scoot, da er keine Clansfarben trug, setzte sich in Bewegung und kam näher. Jeef wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, und so blieb er erst mal stehen. Drohte ihnen Gefahr? Oder war der Fremde gar ein Arfaar-Pilger? Jeef hatte schon von diesen Leuten gehört, die durch das Land zogen, um alle Kultstätten zu besuchen und dort zu beten.
Der Fremde blieb vor der Gruppe stehen. Dreck klebte an seinen kniehohen Stiefeln und an seiner Kleidung. In seinen braunen Augen lag ein freundliches Funkeln. »Guddey«, grüßte er mit tiefer kratziger Stimme in einem Dialekt, den Jeef noch nie zuvor gehört hatte. »Du bist der Jeef, der hiesige Arfaar-Priester?«
Jeef nickte. »Bin ich, ja. Und wer bist du?«
Nun lächelte der Fremde sogar. »Ich bin Conoor. Einer von den Soldschers, die wo mit unserem König Arfaar in Salbuur waren. Ich war damals dabei und ich hab gesehen, wie unserem König Arfaar der Kopf geplatzt ist. Ich hab ihn geliebt, unseren König, und verehrt. Er war schon ein Gott, wo er noch gelebt hat, sag ich, denn ich war ihm manchmal ganz nah. Und seither ziehe ich in Britana umher und bete an den Kultstätten, die ihm geweiht sind. Ich bleib immer 'ne Weile und arbeite was und zieh dann wieder weiter.«
Jeef und seine Schüler starrten Conoor fasziniert an. »Du warst in Salbuur dabei? Und hast Arfaars Himmelfahrt genau geseh'n?« Jeef konnte es nicht fassen. Außer der Heiligen Mutter hatte er bisher niemanden persönlich gekannt, der in Salbuur dabei gewesen war.
»Hab ich, ja.«
»Dann freu ich mich, dass du hierher gekommen bist. Willste was essen, Conoor? Oder erst beten?«
Conoor lächelte erneut. »Erst mal beten. Wollt ihr mit mir beten, Kids? Gemeinsam ist das viel schöner. Ich freu mich, dass ihr so eifrig Arfaar folgt. Prächtige Kids seit ihr.«
Alle waren Feuer und Flamme, mit Conoor zu beten, auch Jeef. Der große Krieger faszinierte sie alle. Etwas Charismatisches ging von ihm aus.
Gemeinsam betraten sie den Altarraum. Auf einem behauenen Felsblock in der Mitte stand eine männliche, mit goldenen und silbernen Kleidern behängte Schaufensterpuppe, die eine goldene Krone trug. Sie war vergangenes Jahr als Geschenk der Heiligen Mutter zur Einweihung des neuen Arfaar-Hauses hierher nach Kaikie gekommen. Diese Figur sehe aus wie Arfaar, hatte die Mutter versichert, und deswegen stecke auch sein Geist darin. Und wer hätte schon an den Worten der Heiligen Mutter zweifeln wollen?
Conoor tat es zumindest leise. »Hm, er hat schon anders ausgesehen, unser König Arfaar«, erwiderte er, nachdem er die Geschichte gehört hatte. »Ein bisschen jünger, wenn ich mich recht entsinne.« Er nestelte an einem der Lederbeutel, öffnete ihn und zog einen etwa handgroßen weißen Fetzen Leinenstoff hervor, der ausgefranst und an einer Seite rot eingefärbt war. Zudem waren kleine rostrote Punkte darauf verteilt. Conoor fiel vor der Statue auf die Knie, klemmte das Leinenstück zwischen seine gefalteten Hände und forderte Jeef und die Kids auf, es ihm gleichzutun.
»Was hast du da zwischen den Händen?«, flüsterte Jeef, der momentan sogar seinen Räucherschinken vergessen hatte.
»Ein Stück aus dem heiligen Gewand Arfaars, das wo er getragen hat, als er von den Technos gekillt wurde.« Conoor öffnete die Hände und zeigte den staunenden Kids und Jeef das Leinenstück. »Seht, das Rote hier stammt von einem Kreuz, das Arfaar auf der Brust und auf dem Rücken von seinem weißen Gewand trug, als sie ihn feige erschossen haben, obwohl wir schon gesiegt hatten und die Mistkerle Arfaar die Treue schwören wollten. War aber alles gelogen, sie haben ihn nur in Sicherheit gewiegt, um ihn in Ruhe killen zu können. Und die Flecken da sind Spritzer von Arfaars heiligem Blut.«
Jeef fühlte sich von einer derart heiligen Ehrfurcht ergriffen, dass ein Schauder nach dem anderen über seinen Körper lief. »Darf ich… darf ich das mal berühren?«, flüsterte er krächzend.
Er durfte. Nachdem sie alle Die sieben Lobpreisungen an Arfaar gebetet hatten, nahm Jeef den Ex-Soldaten beiseite. »Sag mal, Conoor, möchtest du vielleicht hierbleiben und mich 'n bisschen unterstützen? Ich hab hier 'n paar Probleme mit der Arfaar-Anbetung von den Leuten, bei denen
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