2884 - Im Netz der Spinne
Finger geschaut.
Die Verdächtige verdrehte genervt die Augen. Sie hatte sich vom ersten Schock erholt und gewann nun allmählich ihre gewohnte Frechheit zurück.
»Ich kann nicht glauben, mit was für fadenscheinigen Begründungen Sie mich verdächtigen, Agent Cotton. Das ergibt doch alles gar keinen Sinn. Ich weiß nicht, was für Handygespräche ich angeblich geführt haben soll.«
»Sie können den Verdacht leicht entkräften, indem Sie mir Ihr Mobiltelefon überlassen. Dann lässt sich mit Hilfe des Einzelgesprächsnachweises untermauern, mit wem Sie gesprochen haben, Miss O’Neill.«
»Das könnte Ihnen so passen, was? Erst schnüffeln Sie in meinem Apartment herum, nun wollen Sie auch noch mein Handy haben. Daraus wird nichts, Agent Cotton. Ich verstehe ja, dass das FBI dringend einen Erfolg braucht. Aber wenn Sie glauben, die Medien einschüchtern zu können …«
Phils Stimme unterbrach Liz O’Neill. »Jerry, ich habe hier etwas.«
Ich ging in die Küche, die von meinem Partner gerade durchsucht worden war. Phil hatte Latex-Handschuhe übergestreift, genau wie ich selbst. Er hielt ein Kleidungsstück hoch, das gewiss nicht der Reporterin gehörte. Es handelte sich nämlich um eine rosa Jacke, die von der Größe her einem dreijährigen Kind passte. Genau so eine Jacke hatte Lucy Bradshaw bei ihrer Entführung getragen, das war uns bekannt.
»Die Jacke war in einer Mülltüte versteckt«, sagte Phil. »Um was wollen wir wetten, dass sich Lucys DNA an den Textilien befindet?«
Dem Anwalt hatte es die Sprache verschlagen. Er stand neben meinem Freund und hatte offensichtlich mitbekommen, wie Phil das Beweisstück aus dem Müll gefischt hatte. Dr. Frank Finley blitzte seine Mandantin unheilverkündend an. Er hatte sie offenbar für unschuldig gehalten.
»Miss O’Neill, wir müssen dringend unter vier Augen miteinander reden. Ich rate Ihnen, ab sofort nichts mehr zu sagen.«
Die Journalistin fiel aus allen Wolken. »Wie bitte? Soll das heißen, dass Sie mich für schuldig halten, Dr. Finley? Ich weiß nicht, wie diese Jacke in meine Küche gekommen ist. Das FBI muss sie mir untergeschoben haben.«
»Unsinn«, sagte der Anwalt scharf. »Ich habe selbst gesehen, wie Agent Decker das Beweisstück gefunden hat. Aber ich möchte mich mit Ihnen beraten, bevor Sie sich um Kopf und Kragen reden.«
Es fiel Liz O’Neill offensichtlich schwer, den Mund zu halten. Phil steckte die Jacke in eine Plastiktüte für Beweismittel. Wir setzten die Durchsuchung fort, konnten aber keine weiteren Indizien mehr finden. Die Feinarbeit überließen wir den Kollegen von der SRD, die wenig später anrückten.
Ich legte der Reporterin Handschellen an.
»Liz O’Neill, Sie sind verhaftet. Sie haben das Recht zu schweigen.« Und dann betete ich den Rest der Miranda-Formel herunter. Wir wollten die Anklage nicht wegen möglicher Formfehler gefährden. Endlich waren wir einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Und Liz O’Neill konnte in einer FBI-Arrestzelle darüber nachdenken, ob sie weiterhin die verfolgte Unschuld spielen wollte.
***
Am nächsten Morgen zeigten wir das Beweisstück zunächst Lucys Mutter. Die DNA-Analyse nahm noch etwas Zeit in Anspruch. Aber die Reaktion von Eileen Bradshaw war eindeutig genug.
»Ja, die Jacke gehört meiner Tochter! Was ist mit ihr? Ist sie …«Die Frau begann zu weinen. Ich redete beruhigend auf sie ein.
»Mistress Bradshaw, wir haben eine Verdächtige verhaftet. Aber es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass Ihrer Tochter etwas geschehen ist. Das Wohlbefinden der gekidnappten Kinder muss auch den Entführern am Herzen liegen, schließlich wollen sie gewiss viel Geld erpressen.«
»Aber warum melden diese Leute sich dann nicht? Werden die Verbrecher jetzt vielleicht eine Verzweiflungstat begehen, nachdem das FBI eine Komplizin eingesperrt hat?«
So etwas war natürlich möglich, aber das würde ich der besorgten Mutter gewiss nicht unter die Nase reiben. Falls Liz O’Neill wirklich die Spinne war, dann würde die Bande jetzt ohne Anführerin dastehen. Und das konnte für uns nur von Vorteil sein.
Nachdem Phil und ich Eileen Bradshaw wieder einigermaßen beruhigt hatten, fuhren wir zur Federal Plaza zurück.
»Endlich haben wir diese verflixte Spinne erwischt, Jerry! Ich hoffe nur, dass Liz O’Neill uns im Verhör ihre Helfer verrät. Denn solange die Entführer die Kinder immer noch in ihrer Gewalt haben, verfügen sie über ein erstklassiges
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