2888 - New York gegen uns
es seinen Anwälten auch diesmal gelingen würde, ihn herauszupauken, war keineswegs sicher.
Und wenn er des Mordes an Yanela Valdés überführt wurde, würde er nach den Bundesgesetzen der Vereinigten Staaten verurteilt werden. Und das bedeutete – im Gegensatz zur Gesetzgebung des Bundesstaats New York – die Todesstrafe.
Joe und Les standen links im Bildwinkel an der Bar und nippten an Kaffeebechern.
Bryn Williams beobachtete seinen schwimmenden Brötchengeber vom jenseitigen Beckenrand her. Die Blessuren des Leibwächters leuchteten rot in seinem Gesicht. Er ließ Chevalier keinen Moment lang aus den Augen. Mit welchen Gefahren für Leib und Leben seines Bosses er trotz der Präsenz von FBI und NYPD auf dem Grundstück rechnete, vermochte ich nicht zu ergründen.
Conrad B. Nichols hockte am Schreibtisch im Privatbüro seines Mandanten, über Akten gebeugt, von Zeit zu Zeit mit dem Telefon am Ohr. Wahrscheinlich feilte Nichols bereits an der Strategie, die er diesmal anwenden wollte, um Chevalier vor dem Schlimmsten zu bewahren. Darüber, dass seine Aussichten schlechter als je zuvor waren, machte sich auch Nichols bestimmt keine Illusionen.
Phil und ich konzentrierten uns auf die Bildschirme, die die Haupt- und Nebentore des Villengrundstücks zeigten. Vor dem Haupttor bildete sich die erste Menschentraube. Journalisten. Ein paar Reporter gingen auch am hinteren Tor und an dem Seitentor in Stellung. Noch war Jackson Payne nirgendwo zu entdecken. Dass er über kurz oder lang auftauchen würde, hielt ich für so sicher wie das Amen in der Kirche.
Irving Kelleher hatte inzwischen herausgefunden, dass Payne auf den Sumpfgleiter des Park-Rangers Brad Ikemoto übergewechselt und bis zum Bootsstützpunkt des Fire Department mitgefahren war. Dort war er vermutlich in Ikemotos Privatwagen umgestiegen, einen dunkelgrünen Dodge Nitro.
Eine Fahndung hatten wir nicht veranlasst, denn es gab keinen Grund, Payne von den Cops suchen zu lassen. Die Gefangennahme des Leibwächters Bryn Williams reichte als Delikt für eine Festnahme jedenfalls nicht aus. Und dem Park-Ranger konnten wir demzufolge keinerlei Vorwurf machen.
Wir hatten alle Kollegen, die auf dem Villengrundstück im Einsatz waren, über den Stand der Dinge informiert. Allerdings machten wir uns keine Illusionen. Weil immer mehr Medienleute auftauchten, würde Payne alle Aufmerksamkeit erhalten, die er sich wünschte. Er würde uns vorwerfen, dass wir den Täter schützten und seine Opfer vernachlässigten.
Den Assistant Director hatten wir bereits über den Fund der toten Annalee Payne informiert. Weitere Einzelheiten würde der Chef von Doctor Gaynard und der Scientific Research Division erhalten. Sofern sich der Tatverdacht gegen Chevalier in diesem Fall erhärtete, würde ein New Yorker Gericht für die Anklageerhebung zuständig sein.
»Was er jetzt vorhat«, sagte ich gedehnt, »hat er garantiert gründlich geplant. Mindestens seit seine Frau entführt wurde.«
Phil und ich kamen nicht dazu, weitere Spekulationen anzustellen.
Mein Handy klingelte. Ich meldete mich und ging auf den Korridor hinaus. Phil folgte mir.
»Es ist so weit«, sagte der AD. »Die DNA-Analyse von Chevaliers Speichelprobe stimmt mit dem übrigen DNA-Material überein. Ich habe mit dem Federal Attorney gesprochen. Er beantragt den Haftbefehl jetzt sofort. Sie erhalten ihn umgehend als PDF-Datei direkt auf Ihr Terminal.«
Phil und ich beeilten uns. Mein Jaguar parkte vor dem Gebäude. Auf dem Weg dorthin informierten wir Joe und Les und die übrigen Einsatzbeteiligten. Dann fuhr ich den Rechner auf der Mittelkonsole des roten Boliden hoch.
Wir brauchten nur zwei oder drei Minuten zu warten, dann erschien das richterliche Dokument mit der elektronischen Signatur auf dem Bildschirm. Es folgte eine weitere Seite mit dem Durchsuchungsbefehl für die Villa und das Grundstück. Haftbefehle für die Leibwächter gab es noch nicht.
Williams und Santos würden wir vorläufig festnehmen müssen. Ihre Mittäterschaft im Fall Annalee Payne würde sich jedoch innerhalb der 24-Stunden-Frist beweisen lassen, und dann konnten wir auch ihnen das vom Richter besiegelte Dokument präsentieren.
Als Phil und ich in die Sicherheitszentrale stürmten, fiel unser erster Blick auf das Monitorbild aus dem Swimmingpool. Joe und Les hatten die Situation im Griff. Williams stand mit gesenktem Kopf am Beckenrand, den Rücken halb zur Kamera gewandt. Er trug bereits Handschellen.
Aristide Chevalier
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